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Politik: Gericht: Familien von Attentätern nur bei Mitschuld ausweisen Israels Oberste Richter erlauben aber zwei Abschiebungen

Tel Aviv. Israel hat angekündigt, am Mittwoch zwei Geschwister eines palästinensischen Terroristen aus dem Westjordanland in den Gazastreifen abzuschieben.

Tel Aviv. Israel hat angekündigt, am Mittwoch zwei Geschwister eines palästinensischen Terroristen aus dem Westjordanland in den Gazastreifen abzuschieben. Das Oberste Gericht in Jerusalem untersagte hingegen die Ausweisung eines weiteren Angehörigen. Mit diesem Urteil haben Israels Richter die Politik der Regierung Scharon durchkreuzt, mit den Ausweisungen Selbstmordattentäter von ihrem Vorhaben abzubringen. Abschiebungen, so hielten die Richter fest, dürften nicht allein der Abschreckung oder Prävention dienen. Sie seien nur gerechtfertigt, wenn sie dem Schutz der Staatssicherheit dienen und wenn den Angehörigen eine Mitschuld an Anschlägen nachgewiesen werden kann.

Im konkreten Fall der beiden Geschwister befanden die Richter unter Gerichtspräsident Aharon Barak, dass Kifah und seine Schwester Antisar Ajuri aus einem Flüchtlingslager in Nablus ihrem Bruder Ali bei einem Anschlag geholfen hatten. Ali stand einer Terrorzelle vor und wurde vor einem Monat von der israelischen Armee getötet. Israel macht ihn für den Anschlag eines Selbstmordattentäters auf eine Busstation in Tel Aviv verantwortlich. Unter anderem wird Antisar beschuldigt, Sprengstoffgürtel für Attentäter, die ihr Bruder beauftragt hatte, genäht zu haben.

Abdel Nasser Asida aus einem Dorf bei Nablus hingegen, der dritte Palästinenser, dem eine Ausweisung drohte, hat nach Ansicht der Richter von den Anschlagsabsichten seines Bruders Nasser Eddin Asida nichts gewusst und darf deshalb nicht abgeschoben werden.

Das Argument der Verteidigung, das von zahlreichen unabhängigen Juristen und Menschenrechtsorganisationen geteilt wird, wonach eine Ausweisung durch die Besatzungsmacht aus besetzten Gebieten gegen das internationale Recht und die Genfer Konvention verstoße, umgingen die Richter mit einem Trick: Sie erklärten das Westjordanland und den Gazastreifen zu einer juristischen und wohl auch politischen Einheit, obwohl sie geografisch getrennt sind. Somit erfolge lediglich eine zwangsweise Überführung innerhalb der besetzten Gebiete. Zudem werden die Geschwister Ajuri nur für einen begrenzten Zeitraum von zwei Jahren abgeschoben.

In der Regierung kommt es indes in der letzten Zeit immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten über die Abschreckungsmaßnahmen. Konkret geht es dabei um die vom Minister für innere Sicherheit, Uzi Landau, vorgebrachte Forderung, in Ostjerusalem die Häuser jener Palästinenser zu sprengen, denen Attentate oder die Mitgliedschaft in einer Terrorzelle zur Last gelegt werden. Da der östliche Teil Jerusalems 1967 von Israel annektiert wurde, sind die dort wohnhaften Palästinenser israelische Staatsbürger. Verteidigungsminister Ben Elieser lehnt die Häusersprengung deshalb ab, während Scharon sie befürwortet.

Der Regierungschef verübelt seinem Verteidigungsminister laut Medienberichten außerdem, dass dieser eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz eines Generals berufen hat. Sie soll sich mit Zwischenfällen befassen, bei denen in den vergangenen Wochen und Tagen auffallend viele palästinensische Zivilisten getötet wurden. In Armeekreisen war der Verdacht geäußert worden, die Soldaten hätten „einen leichten Finger am Abzug". Charles A. Landsmann

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