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Politik: Gerichte dürfen Behörden-Akten auch bei Geheimhaltungsinteresse einsehen

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in ein Verfahren gegen einen früheren bayerischen Landesbediensteten eingegriffen, dessen Prozess an den gleichnamigen Roman von Franz Kafka erinnert. Der Mann wurde vom Land nicht weiter beschäftigt, weil Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gegen ihn vorlagen.

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat in ein Verfahren gegen einen früheren bayerischen Landesbediensteten eingegriffen, dessen Prozess an den gleichnamigen Roman von Franz Kafka erinnert. Der Mann wurde vom Land nicht weiter beschäftigt, weil Erkenntnisse des Verfassungsschutzes gegen ihn vorlagen. Welche Erkenntnisse das waren, erfuhren aber aus Geheimhaltungsinteresse weder er selbst noch die Gerichte. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschied jetzt, dass die Gerichte zukünftig die Akten erhalten müssen, wenn das zur Nachprüfung einer Behördenentscheidung erforderlich ist. Eine anderslautende Vorschrift der Verwaltungsgerichtsordnung muss bis Ende 2001 geändert werden (Aktenzeichen: 11 BvR 385/90).

Im konkreten Fall war ein 1986 eingestellter Geschäftsführer einer bayerischen Landesbehörde einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen worden. Der Behördenchef, der Aufträge der öffentlichen Hand - unter anderem der Bundeswehr - vermittelte, war damit selbst einverstanden. Im Auftrag des bayerischen Wirtschaftsministeriums wirkte unter anderem der Landesverfassungsschutz an der Überprüfung mit. Der kam zu dem Ergebnis, dass Bedenken bestehen, den Geschäftsführer mit geheimen Verschluss-Sachen zu betrauen. Daraufhin wurde ihm mitgeteilt, dass eine Weiterbeschäftigung ausgeschlossen sei. Um Nachteile bei einer Neubewerbung zu vermeiden, kündigte der Betroffene selbst.

Was gegen ihn vorgebracht wurde, erfuhr Herr U. allerdings nicht, da den Auskunftspersonen Vertraulichkeit zugesichert worden sei. Die beruflichen Nachteile des ehemaligen Leiters waren erheblich, er musste schließlich eine Anstellung als Außendienstmitarbeiter annehmen. In dem von ihm angestrengten Verwaltungsgerichtsverfahren verzichtete er auf Akteneinsicht, verlangte aber eine Kontrolle durch das Verwaltungsgericht. Das forderte Aktenvorlage, erhielt aber vom Münchner Innenministerium nur die Auskunft, Herr U. habe einen "Charakterzug, der dazu führen könne, dass er Opfer einer nachrichtendienstlichen Verstrickung werde". Aktenvorlage könne nicht erfolgen. Im übrigen habe der Kläger selbst gekündigt.

Tatsächlich schreibt die Verwaltungsgerichtsordnung grundsätzlich eine Aktenvorlage durch die Behörden vor. Diese kann aber verweigert werden, wenn damit "Nachteile für das Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes" verbunden wären. Dennoch bestand das Verwaltungsgericht auf den Akten, da die Voraussetzungen für die Geheimhaltung nicht vorlägen. Dieser Beschluss wurde aber in der nächsten Instanz vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im München 1990 wieder aufgehoben.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts gab der Verfassungsbeschwerde des Betroffenen nun statt. Es verletze das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, wenn eine wirksame gerichtliche Kontrolle einer Behördenentscheidung wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht werde. Die Richter betonen in ihrer Entscheidung allerdings, dass das Geheimhaltungsinteresse des Staates legitim sei. Dazu sei die jetzt beanstandete Regelung aber nicht erforderlich. Denn es sei möglich, nur den zuständigen Richtern die Akten zukommen zu lassen, die unter der Verpflichtung zur Geheimhaltung die Vorgänge nachprüfen könnten. Der Kläger selbst müsse keine Akteneinsicht erhalten. Sein Grundrecht auf rechtliches Gehör werde dadurch nicht verletzt, da es aus sachlichen Gründen eingeschränkt werden dürfe. Bis zur Neuregelung müssen die Behörden nun den Gerichten die Akten zuleiten, ohne dass diese den Beteiligten Einsicht gewähren dürfen. Der Fall wurde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurück verwiesen.

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