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Politik: Geschenk für Gesunde

Freiwillig versicherte Kassenpatienten sollen Prämien erhalten, wenn sie nicht zum Arzt gehen – wie bei den Privaten

Von Antje Sirleschtov

Das Bundessozialministerium wollte es am Montag zwar nicht bestätigen. Doch zurückzuweisen gab es bei den Gerüchten auch nichts. Denn, so heißt es in Berlin, beim Gesundheitsreformgesetz habe die Ministerin Ulla Schmidt (SPD) gar keine andere Wahl, als junge, gesunde und besser verdienende Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Bonusmodellen zum Bleiben zu bewegen. Einen Rohentwurf zur Reform haben die Beamten aus dem Gesundheitsministerium nun zur politischen Abstimmung vorbereitet. Er sieht die Genehmigung für die Kassen vor, freiwillig Versicherten, die in einem Kalenderjahr keine ärztlichen Leistungen in Anspruch genommen haben, einen Teil der Beiträge zu erstatten. Von der damit verbundenen Beitragsermäßigung solle dabei nur der Arbeitnehmer, nicht aber der Arbeitgeber profitieren. Ähnliche Regelungen bieten derzeit schon die privaten Kassen an.

Für den Kölner Gesundheitsexperten Karl W. Lauterbach ist das „die einzige Möglichkeit, freiwillig Versicherte überhaupt noch an die gesetzlichen Kassen zu binden“. Und das, obwohl es „die Glaubwürdigkeit des gesamten Solidarsystems untergräbt“. Lauterbachs Begründung für diese paradoxe Situation: Weil sich die Gesundheitsreformkommission dazu entschieden hat, ab 2004 Leistungen aus dem gesetzlichen Katalog der Kassen herauszunehmen und verschiedene Zuzahlungen für Leistungen zu fordern, sei es für Gesunde und Besserverdiener immer unattraktiver, bei den gesetzlichen Kassen zu bleiben. Lauterbach: „Der Kompromiss führt unweigerlich zur Kassenflucht.“ Um dem zu begegnen, müssten die gesetzlichen Kassen Bonussysteme wie die Privaten anbieten. Nachteil für das Solidarsystem der Gesetzlichen: Die Gesunden erhalten Beiträge zurück, das Geld fehlt den Kassen zur Versorgung der Kranken. Ein Teufelskreis also, an dem der Experte Lauterbach zu erkennen glaubt, dass „es höchste Zeit ist, sich mit dem Umbau des Solidarsystems zu beschäftigen“. Seine Forderung ist, „noch in dieser Legislaturperiode“ müsse eine Entscheidung darüber her, ob sich Deutschland in Zukunft für eine Bürgerversicherung oder eher ein anderes Modell, etwa die Kopfpauschale, entscheidet.

Eile, meint Lauterbach, sei dabei nicht nur geboten, weil „wir Zeuge des schleichenden Verfalls des Solidarsystems sind“. Sondern auch, weil das solidarische Gesundheitssystem für viele junge Menschen ein wichtiger Standortvorteil bei der Wahl ihres künftigen Lebensmittelpunktes sei. Wenn sich – wie es jetzt bereits spürbar werde – in Zukunft immer mehr gut ausgebildete junge Menschen bewusst zwischen Deutschland und einem anderen Land entscheiden, dann müssten die deutschen Politiker das Solidarsystem im Gesundheitswesen nicht als gesellschaftliche Last, sondern aus einer wirtschaftspolitischen Perspektive heraus betrachten.

Einen neuen „Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten", wie ihn die Beamten von Ulla Schmidt auch in ihrem Gesetzentwurf diskutieren, lobt Lauterbach übrigens. Voraussetzung dafür soll etwa der regelmäßige Gang zu Maßnahmen zur Krankheits-Früherkennung, die Teilnahme an einem Präventionsprogramm oder die Einschreibung in ein Hausarztmodell oder Chroniker-Programm sein. Wenn sich die Versicherten so gesund hielten und dem Solidarsystem Zusatzkosten ersparten, sagt Lauterbach, dann sei die Gewährung von Bonuszahlungen „ein guter Ansatz zur Kostensenkung des Systems“.

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