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Politik: …Geschichte transparent wird

Man kann sich das ja nur schwer vorstellen. Da musste Horst Köhler eine Entscheidung treffen, die in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen wird – aber wie hat der Kanzler davon erfahren, bevor Köhler im Fernsehen das Wahlvolk einweihte?

Man kann sich das ja nur schwer vorstellen. Da musste Horst Köhler eine Entscheidung treffen, die in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen wird – aber wie hat der Kanzler davon erfahren, bevor Köhler im Fernsehen das Wahlvolk einweihte?

Wir haben eine klare Vorstellung, wie so etwas im Mittelalter gelaufen wäre: Der Präsident hätte ein prunkvoll kalligraphiertes Schriftstück auf Bütten anfertigen lassen, sein Kanzleisekretär hätte, zack, ein fettes Siegel draufgeknallt, und dann wäre der berittene Herold erschienen. „Herold!“, hätte der Sekretär gesagt, „bring Er das diesem Schröder, und zwar zackzack!“ Eine halbe Stunde später hätten sie am Bundeskanzleramt unter Fanfarenschall die Zugbrücke heruntergelassen, den Herold begrüßt und mit allerhand Tamtam das Siegel des Erlasses aufgebrochen.

Das machen sie heute anders. Aber wie? Nehmen wir zunächst einmal an, dass der einfachste Weg aus protokollarischen Gründen nicht in Betracht kommt. Schröders Handy klingelt nach der Melodie „Komm mit ins Abenteuerland“, Schröder brummt „Ja?“, und dann meldet sich der Präsident und sagt knapp: „Köhler hier. Herr Schröder, ich habe mich entschieden, und zwar so. Näheres entnehmen Sie bitte der Presse.“ Nein, so geht es nicht. Auch eine rasche EMail von praesi@bundespraesident.de („Hi Gerhard, lass wählen, mfg Horst :-)“) kam nicht in Betracht.

Immerhin wissen wir aus Agenturmeldungen, dass der Kanzler sich eigens für die Entgegennahme der Entscheidung aus Hannover nach Berlin bemüht hat. Also wird es wohl über die Vorzimmer gelaufen sein. „Vorzimmer Bundeskanzler“, meldet sich die eine Seite, die andere sagt: „Vorzimmer Bundespräsident, verbinden Sie mich bitte mit dem Kanzler.“ Dann wird verbunden, Köhler sagt „Köhler“, Schröder sagt „Schröder, wie geht’s?“, und sie machen ein wenig Smalltalk. Scheußliches Wetter in Berlin, nicht wahr? Und Lafontaine, puh, ob diese Beziehungskiste mit Gysi wohl halten wird? Ja, die Gattinnen verstehen sich prima, man müsste mal wieder zusammen ein paar Bratmaxe auf den Grill legen, wenn erst...

„Ach, eh ich’s vergesse“, sagt der Bundespräsident dann, „also, ich hab mich entschieden wegen dieser leidigen Neuwahlsache. Wollen Sie’s noch per Fax?“ „Nö“, sagt Schröder, das kommt ja nachher in der Glotze. Schönen Abend noch!“ Ja, ungefähr so wird Geschichte gemacht. Ist eigentlich ziemlich einfach. bm

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