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US-Präsidenten: Tops & Flops im Weißen Haus

Die Skala reicht von "bedeutend" bis "erfolglos": Regelmäßig geben amerikanische Politologen und Historiker den US-Präsidenten Noten. Hier die fünf Spitzenreiter und die fünf Schlusslichter.

Es ist ein sonderbarer Brauch, den US-Historiker und -Politologen da seit mehr als sechs Jahrzehnten pflegen. Gemeinsam erstellen sie regelmäßig Ranglisten der besten und der schlechtesten amerikanischen Präsidenten.

Der Ablauf ist fast immer gleich: Ein Meinungsforschungsinstitut, Zeitungen wie das "Wall Street Journal" oder ein Wissenschaftler wählen Dutzende bis Hunderte Forscher nach Region, politischem Standpunkt und anderen Kriterien aus. Diese werden gebeten, die Leistung jedes US-Regierungschefs auf einer Fünf-Punkte-Skala zu bewerten. Anhand der Durchschnittswerte wird die Reihenfolge erstellt und veröffentlicht. Was klingt wie ein Scherz - der Versuch, politische Leistung in einem Punktesystem zu bewerten -, wird in den USA nicht nur als gute Unterhaltung betrachtet. In Fachzeitschriften werden die Resultate aufgeregt diskutiert. In jeder Präsidentenbiografie ist vermerkt, wie dieser bei Rankings abschneidet.

Aufschlussreich sind die Ergebnisse in jedem Fall, besonders deren Kontinuität. Seit der Historiker Arthur Schlesinger Sr. 1948 erstmals 55 Kollegen bat, für das Magazin "Life" jeden Präsidenten als "bedeutend", "nahezu bedeutend", "durchschnittlich", "unterdurchschnittlich" oder "erfolglos" einzustufen, wurden bei Rankings übereinstimmend dieselben Staatsoberhäupter zu den besten gekürt: Abraham Lincoln, George Washington und Franklin D. Roosevelt führen stets die ersten drei Plätze an - je ein Regierungschef aus dem 18., 19. und 20. Jahrhundert. Eher verhalten bewerten die Fachleute die Amtsinhaber der jüngeren Geschichte. Von ihnen schafft es nur Ronald Reagan hin und wieder unter die ersten zehn. Jimmy Carter, George Bush senior und Bill Clinton bringen es lediglich bis ins Mittelfeld. Richard Nixon rangiert gar unter den letzten zehn. Die Präsidentenhitparaden zeigen auch, wie sich der Blick auf Geschichte ändert. Die Wertschätzung für John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson sank mit den Jahren, die für Ronald Reagan, Harry S. Truman und Dwight D. Eisenhower stieg.

Forscher bevorzugen andere Präsidenten als die Bevölkerung. Zwar stuften US-Bürger bei einer Befragung 2007 Lincoln im Einklang mit den Wissenschaftlern als fähigstes Staatsoberhaupt ein. Doch die nachfolgenden drei Favoriten des Volkes - Reagan, Kennedy und Clinton - sind nicht unter den ersten fünf der Gelehrten.

Die Statistik verrät ebenfalls: Präsidenten der Demokraten wurden etwas besser bewertet als jene der Republikaner oder die der Whigs und Federalists in den frühen Jahren. Regierungschefs mit längerer Amtszeit wurden vorteilhafter benotet als jene mit kurzer. Die meisten der favorisierten führten vor oder während ihrer Präsidentschaft Krieg. Viele angesehene Staatsoberhäupter polarisierten zunächst - und einten dann die Nation. "Sie alle gingen Risiken ein, um ihre Ideale zu verfolgen", resümierte Historiker Arthur Schlesinger Jr., der 1996 wie einst sein Vater ein Ranking initiierte.

Noch bis zum 20. Januar ist George W. Bush im Amt. Erst danach lässt sich seine Ära fair bewerten. Doch gut sieht es für ihn nicht aus. Bereits 2006, fünf Jahre nach seinem Antritt, befragte das Umfrageinstitut Siena Research 744 Historiker und Politologen über ihn. Rund 80 Prozent stuften Bush als "unterdurchschnittlich" oder "erfolglos" ein.

TOP 1: Abraham Lincoln (1861–1865)

Der Sieg der Nord- über die Südstaaten im Bürgerkrieg stand kurz bevor. Da stürmte am 14. April 1865 ein fanatischer Südstaatler in die Loge des Präsidenten im Ford-Theater in Washington. Von hinten schoss der Attentäter zwei Kugeln in Abraham Lincolns Kopf. Noch in der Nacht starb der 1,92-Meter-Mann. Lincoln hatte das Präsidentenamt vier Jahre zuvor in einer der dramatischsten Situationen der US-Geschichte übernommen: Die Spannungen zwischen dem Norden und Süden des Landes verschärften sich, die Südstaaten sahen in der Kritik des Nordens an ihrer Sklavenwirtschaft ihre Souveränität bedroht. Lincoln war gemäßigter Sklavereigegner. Noch bevor er als erster Republikaner Präsident wurde, verließen mehrere Südstaaten die Union und riefen die Konföderierten Staaten von Amerika aus. Der folgende Bürgerkrieg kostete rund 600 000 Menschen das Leben. Im Dezember 1865 wurde die Sklaverei verboten. Das sowie die Bewahrung der Einheit der Vereinigten Staaten waren Lincolns Verdienst.

TOP 2: George Washington (

1789–1797) Er hoffe, „in der Zurückgezogenheit mehr Glück zu finden“ als in einer „geschäftigen Welt“, schrieb der Plantagenbesitzer George Washington nach seiner Heirat einem Freund. Es sollte anders kommen. Zunächst wurde er Oberbefehlshaber der Kontinentalarmee im Unabhängigkeitskrieg, später Vorsitzender der verfassungsgebenden Versammlung. Schließlich prägte er als erster Präsident der Ver einigten Staaten mit seinem überparteilichen und ko operativen Regierungsstil die Ausübung des Amts. Außenpolitisch verordnete er den USA Neutralität. Nach zwei Amtszeiten verzichtete er auf eine Wiederwahl und begründete damit den freiwilligen Brauch, nicht länger zu regieren. Erst 1951 wurde die Beschränkung auf zwei Amtsperioden per Gesetz geregelt. Einer von Washingtons Gründen war eher profan – schuld waren nämlich die Journalisten: Er wolle sich „nicht länger in öffentlichen Druckschriften von einem Haufen infamer Skribenten angreifen“ lassen. Noch vor seinem Tod 1799 wurde die spätere Hauptstadt nach ihm benannt.

TOP 3: Franklin D. Roosevelt (1933–1945)
Kein anderer US-Präsident regierte so lange (zwölf Jahre) und wurde so oft wiedergewählt (dreimal) wie Franklin Delano Roosevelt. Der Demokrat führte die Nation aus der Weltwirtschaftskrise durch den Zweiten Weltkrieg hin zum Status einer Supermacht. Seit seiner schweren Erkrankung 1921 konnte der entfernte Verwandte Theodore Roosevelts nur mit Krücken stehen. Dennoch vermittelte er seinem Volk in der Krise Zuversicht. Sein Satz, das Einzige, was die Nation zu fürchten habe, sei die Furcht selbst, wurde Grundmotiv seiner Präsidentschaft. Sein Reformprogramm „New Deal“ regulierte die Wirtschaft und schuf soziale Sicherungen. Roosevelt kontrollierte den Aktienhandel, startete ein Arbeitsprogramm, führte Mindestlöhne und Arbeitslosenhilfe ein. Er war Internationalist, doch der Isolationismus dominierte die öffentliche Meinung. Mit dem Angriff Japans auf Pearl Harbor und der deutschen Kriegserklärung erhielt er Rückhalt für den Kriegseintritt an der Seite Groß britanniens und der Sowjetunion. Doch kurz vor dem Sieg starb er.

TOP 4: Thomas Jefferson (1801–1809)
Sein größter Coup gelang Thomas Jefferson, dem dritten Präsidenten der USA, 1803. Eigentlich hatte er seine Gesandten beauftragt, von Frankreich nur die Stadt New Orleans und Umgebung zu kaufen. Doch Napoleon benötigte Geld und bot den verblüfften Unterhändlern die über zwei Millionen Quadratkilometer große Kolonie Louisiana für 15 Millionen Dollar zum Kauf an. Die USA willigten sofort ein und verdoppelten dadurch ihr Territorium. Auch fernab dieses spektakulären Geschäfts erlebte das Land unter Jefferson, der die Unabhängigkeitserklärung verfasst hatte, eine Ära des Wachstums. Straßen, Schulen und Wasserwege wurden gebaut. Außenpolitisch lehnte der umfassend Gebildete eine Einmischung in europäische Konflikte ab. Aufgrund dieser Haltung traf er 1807 seine unglücklichste Entscheidung. Um im Krieg zwischen England und Frankreich neutral zu bleiben, untersagte er US-Schiffen, fremde Häfen anzulaufen, und fremden Schiffen, in US-Häfen zu ankern. Der Handel seines Landes kam dadurch fast völlig zum Erliegen.

TOP 5: Theodore Roosevelt (1901–1909)
Als Theodore „Teddy“ Roosevelt Vizepräsident wurde, plante er, sich die Zeit in dem einflusslosen Amt mit dem Jurastudium zu vertreiben. Ein halbes Jahr später starb Präsident William McKinley an den Folgen eines Attentats und Roosevelt wurde mit 42 Jahren jüngstes US-Staatsoberhaupt. Nicht nur sein Parteirivale Mark Hanna staunte: „Der verdammte Cowboy ist Präsident!“ Bekannt geworden war Roosevelt als Kommandant des Freiwilligenkorps „Rough Riders“ im Spanisch-Amerikanischen Krieg. Seinem Prinzip „Sprich sanft und trage einen dicken Knüppel“ folgte der Republikaner auch als Präsident, vor allem im Verhältnis zu Lateinamerika. Er strebte die Weltführungsrolle der USA an. Im Russisch-Japanischen Krieg profilierte er sich als Vermittler, erhielt dafür 1906 den Friedensnobelpreis. Innenpolitisch setzte er sich für die Kontrolle von Konzernzusammenschlüssen ein und für Naturschutz – fünf Nationalparks gehen auf ihn zurück. Nach seiner zweiten Amtszeit trat er 1912 als Kandidat der neu gegründeten Progressive Party an – und scheiterte.

FLOP 1: James Buchanan (1857–1861)

James Buchanan gilt als der Mann, der beinahe die Einheit der USA verspielt hätte. Schon bei seinem Amtsantritt wurde er von seinem späteren Justizminister Edwin Stanton gewarnt: „Sie schlafen auf einem Vulkan.“ Stanton behielt recht. Noch während Buchanans Präsidentschaft verließen mehrere Südstaaten die Union, und Buchanan schaute weitgehend tatenlos zu. Den eskalierenden Streit über die Sklavenfrage zu beenden, war ihm nicht gelungen. Ein Grund dafür war die deutliche Parteinahme des aus dem Norden stammenden Demokraten für die Interessen der Südstaaten – obwohl er persönlich die Sklaverei ablehnte. Das Ansehen des früheren Außenministers litt auch unter der Korruption seiner Regierungsmannschaft. Auf die Kandidatur zu einer zweiten Amtsperiode verzichtete der bis heute einzige Junggeselle im Weißen Haus, er hatte sie sowieso nie angestrebt. Bevor Buchanan 1868 starb, war er sich sicher, die Geschichtsschreibung werde ihn rehabilitieren – bislang ist es dazu allerdings nicht gekommen.

FLOP 2: Warren G. Harding (1921–1923)
Er war der erste Kandidat, für den sich Filmstars engagierten. Warren Gamaliel Harding fuhr einen überragenden Wahlsieg ein. Als Präsident holte der Zeitungsverleger dann befreundete Politiker aus seiner Heimat Ohio in die Regierung. Doch schon bald klagte er, es seien nicht seine Feinde, sondern seine Freunde, die ihn nachts nicht schlafen ließen. Anfang 1923 wurden erste Fälle von Korruption bekannt. Harding trug allerdings wenig zur Aufklärung bei. Als er sich im Sommer auf einer Reise befand, um für seine Politik zu werben, starb er überraschend nach nur zweijähriger Amtszeit, vermutlich infolge eines Schlag anfalls. Nach seinem Tod wurde das Ausmaß der Bestechungsaffäre bekannt. Innenminister Albert B. Fall wurde wegen der Annahme von Schmiergeld beim Verkauf staatlicher Ölfelder zu einer Haftstrafe verurteilt. Vernichtend war das Urteil des späteren Präsidenten Herbert Hoover über seinen Vorvorgänger Harding: „Er war nicht der Mann mit der Erfahrung oder intellektuellen Fähigkeit, welche die Stellung erfordert.“

FLOP 3: Franklin Pierce (1853–1857)
Franklin Pierce ist bis heute selbst in den USA nur wenig bekannt. Bereits in seiner Antrittsrede ging der frühere Brigadegeneral von der Fehleinschätzung aus, dass der Streit um die Sklaverei beigelegt sei, und kündigte außenpolitischen Expansionismus an. Tatsächlich provozierte der Demokrat Konflikte mit Spanien und Großbritannien, kaufte Land von Mexiko und gliederte den USA durch ein fragwürdiges Gesetz Dutzende Inseln an. Kriegsminister und engster Berater von Pierce war Jefferson Davis. Davis wurde vier Jahre später Präsident der abtrünnigen Südstaaten. Obwohl Pierce aus dem Norden kam, stellte er sich bei Konflikten auf die Seite der Sklavenhalter. Entgegen einem längst gefundenen Kompromiss befürwortete er ein Gesetz, das den Bewohnern der neu zu bildenden Territorien Kansas und Nebraska ermöglichte, über Fortführung oder Verbot der Sklaverei zu entscheiden. In seiner Partei verlor Pierce den Rückhalt. Sie stellte ihn nicht zur Wiederwahl auf. Pierce, der Alkoholprobleme hatte, starb 1869 an Leberzirrhose.

FLOP 4: Andrew Johnson (1865 – 1869)
Schon bei seiner Vereidigung als Vizepräsident sorgte Andrew Johnson für Erstaunen: Er war offensichtlich betrunken. Als Präsident Abraham Lincoln wenig später einem Attentat zum Opfer fiel, wurde Johnson sein Nachfolger. Der Demokrat und Südstaaten-Senator war während des Bürgerkriegs aufseiten der Union geblieben, trotzdem war er noch bis 1863 für die Sklaverei eingetreten – erst danach tat er das nicht mehr. Nach dem Sieg des Nordens war die Sklaverei aufgehoben. Im Weißen Haus stand der frühere Schneider vor der Aufgabe, den zerstörten Süden wieder in die Union einzugliedern. Er zeigte sich milde im Umgang mit dem Verlierer, erließ eine umfassende Amnestie und verhalf der Elite erneut zur Macht. Eine Gesetzes initiative für mehr Rechte für befreite Sklaven blockierte er. Der zunehmende Konflikt zwischen Präsident und Kongress gipfelte in einem Amtsenthebungsverfahren gegen Johnson, das knapp scheiterte. Die Republikaner nominierten ihn nicht zur Wiederwahl, sondern stellten Ulysses S. Grant auf.

FLOP 5: Ulysses S. Grant (1869–1877)
Ulysses Simpson Grant war im Bürgerkrieg Oberbefehlshaber der Unionsstreitkräfte und galt nach dem Sieg als Held. Auch wenn der spätere Präsident James A. Garfield über Grants Hartnäckigkeit als Kommandant in sein Tagebuch schrieb: „Ich bin mir nicht sicher, ob es als Größe oder als Dummheit zu bezeichnen ist.“ Die Wahl gewann Grant mit dem Versprechen, dem Süden den Aufschwung und den Schwarzen das Wahlrecht zu bringen. Letzteres setzte er 1870 für Männer tatsächlich um, tolerierte aber, dass im Süden ihre Rechte wieder eingeschränkt wurden. Das Treiben des Ku-Klux-Klans konnte er nicht verhindern. An Entschlossenheit mangelte es ihm auch bei der Bekämpfung der Korruption, zahlreiche Bestechungsfälle in seiner Regierung wurden bekannt. Die geplante Verdoppelung seiner Bezüge sowie der von Kongressmitgliedern und Obersten Richtern brachte Grants Regierung zusätzlich in Verruf. Sein Versuch, sich für eine dritte Amtszeit aufstellen zu lassen, scheiterte, mit seiner Maklerfirma ging er bankrott.

Timo Hoffmann

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