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Politik: Geschlossene Gesellschaft

Die Parteichefs treffen sich am Dienstag einzeln mit dem Kanzler – auf der Suche nach einem Kompromiss für die Zuwanderung

Nimmt man die starken Worte beim Wort, dann wird heute das Zuwanderungsgesetz endgültig zu Grabe getragen. „Vergewaltigen“ müsse der Kanzler die Grünen, fordert Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) am Montag. Ein „Hassprediger“ sei Beckstein, gaben die Grünen zurück, einer, der für die Dauer der Zuwanderungsgespräche „in verbale Sicherungshaft“ gesperrt gehöre.

Nimmt man die starken Worte nicht ganz so ernst, ist am Tag vor den getrennten Spitzentreffen von Kanzler Gerhard Schröder mit den Parteichefs von SPD und Grünen, FDP und Union eher eine Tendenz zu erkennen, die Gespräche nicht scheitern zu lassen. „Ich setze auf eine Einigung, ich wünsche eine solche Einigung und ich werde mich bemühen, sie herbeizuführen“, sagt Schröder. Die Union gehe „offen und verantwortungsvoll“ in die Gespräche, sagt CDUChefin Angela Merkel. Und CSU-Chef Stoiber mildert immerhin seines Ministers Sprache etwas ab: Die SPD müsse „sehr, sehr starken liebenswürdigen Druck“ auf die Grünen ausüben.

Auch in der Sache sind Annäherungen erkennbar. So hat die Union ihre Forderung nach Sicherungshaft für hochverdächtige, aber strafrechtlich nicht zu belangende Ausländer zur Disposition gestellt. Stoiber zählt die – von Innenminister Otto Schily (SPD) entlehnte – Idee nicht mehr zu den „primären Forderungen“ von CDU und CSU, Beckstein – der den Gedanken ursprünglich einmal aufgebracht und dann selbst verworfen hatte – nennt das Instrument „rechtlich problematisch“. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) wehrt sich gegen den von einer Zeitung erweckten Eindruck, er betrachte die Sicherungshaft als unverzichtbar: Unter den 15 Punkten, mit denen Merkel und Stoiber am Dienstagabend zum Kanzler gehen, sei sie zwar enthalten, aber kein Einzelpunkt sei für die Union unverzichtbar. Entscheidend, so formuliert es auch Merkel nach den Sitzungen der CDU-Spitze, sei die Gesamtschau: ein insgesamt „erkennbarer Fortschritt“ in den Sicherheitsfragen.

Den dürfte es geben. Schröder selbst kündigte ein umfassendes Kompromissangebot an – auch zu den Sicherheitsfragen. Ein Angebot, über das die Parteichefs – da herrscht Einigkeit zwischen Union und SPD – nicht im Detail verhandeln sollen. Es gehe darum, festzustellen, ob man zusammenkomme; die Einzelheiten müssten Experten besprechen.

Ein Szenario, das den Grünen erkennbar Kopfschmerzen bereitet. Er halte die Chancen auf eine Einigung für „sehr gering“, sagt Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. Am Dienstagfrüh will er mit Schröder und SPD-Chef Müntefering die letzte Hand voll offener Fragen zwischen den Koalitionspartnern klären. Die Grünen bringen zudem ein Thema erneut auf den Tisch, das längst abgehakt war: die Aufhebung des Anwerbestopps für ausländische Arbeitnehmer. Hintergrund ist ein Gutachten, das bescheinigt, dass die Koalition diesen Punkt ohne Bundesratszustimmung alleine regeln könnte.

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