zum Hauptinhalt
Einkommen immer ungleicher verteilt.

© Imago

Gesellschaftliche Ungleichheit: Die mittleren und unteren Einkommen müssen jetzt steigen

Die ungleiche Entwicklung der Einkommen muss beendet werden. Nicht nur über höhere Steuern für Reiche. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Die moderne Menschheit ist gut im Analysieren ihrer Fehler und Defizite, dank einer ins Unübersehbare ausgeweiteten Wissenschaft. Sie ist allerdings weniger gut darin, diese Fehler und Defizite auch zu beseitigen. Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist ein gutes Beispiel für diese Diskrepanz. Er konstatiert auf breiter wissenschaftlicher Datenbasis eine wachsende Ungleichheit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung und damit eine steigende Ungleichheit von Lebenschancen und Lebensglück. Er nennt auch Ursachen: zum Beispiel immer mehr Mini-Jobs, Teilzeit, Zeitarbeit, freie Mitarbeit, prekäre Selbständigkeit, die in Wirklichkeit oft keine ist. Aber wie will die Regierung dem Problem beikommen?

Die Steuern erhöhen für die Gewinner, die Wohlhabenden, die Reichen, lautet eine Antwort. Nun ist gegen ein Erbschaftsteuergesetz, das etwas mehr regelt als die Ausnahmen beim Bezahlen, nichts einzuwenden. Auch eine Vermögensteuer ist nicht ganz so hässlich, wie manche sie machen. Höhere Einkommensteuern für Betuchte, warum nicht? Und mehr Kapitalertragsteuer für Großanleger wäre kein Fehler. Man kann dann über die staatlichen Etats umverteilen, Sozialleistungen erhöhen, in der Mitte ein bisschen die Steuern senken. Das ist Gerechtigkeitspolitik. Aber sie beseitigt die wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen nicht wirklich. Zumal staatliche „Stütze“ inzwischen dafür bekannt ist, dass sie Armut eher verfestigt.

Der Rest kommt nicht mit

Gegen zunehmenden Reichtum im oberen Teil der Gesellschaft wäre nichts zu sagen, wenn der Rest auch mitkäme. Das aber tut er in wachsendem Ausmaß nicht mehr. Das Problem sind die Einkommen in der Breite. In den entwickelten Gesellschaften gibt es schon seit Jahrzehnten einen Trend, der sich mit der Globalisierung verstärkt hat: die Gering- und Mittelverdiener verzeichnen im Schnitt keine realen Einkommenszuwächse mehr. Da ein Teil der Unter- und Mittelschichten aber real mehr bekommt, ist dieser Effekt nur zu erklären mit einem relativen Abstieg breiter Bevölkerungsteile. Sie haben keinen Anteil am Wachstum, wenn ihre Einkommen stagnieren, sinken, ausfallen.

Dagegen hat die Einkommens-Aristokratie keine messbaren Einbrüche erlebt, die oberen zehn Prozent, und erst recht die Superreichen im obersten Prozent, sie konnten ihre Einkommen aus Tätigkeit und Vermögen im Schnitt stetig mehren. Die großen Gewinner der letzten Jahrzehnte sind vor allem die Managerkaste und Unternehmer, die auf neuen Wellen surften. Das hat neuen Wohlstand geschaffen, aber eben nicht für alle.

Manager langen zu

Dass nach einem neuen Überblick der Böckler-Stiftung Vorstände in Dax-Konzernen im Schnitt mittlerweile das 57-fache des durchschnittlichen Beschäftigten im Unternehmen einstreichen (beim teilstaatlichen VW-Konzern sogar das 114-fache, in den USA ist noch weit mehr üblich), gehört in dieses Bild unserer Zeit. Vor sechs Jahrzehnten war es nicht einmal das Zehnfache. Und das Topverdienen setzt sich bis in kleinere Unternehmen fort, in denen die Mehrzahl der Beschäftigten oft froh ist, wenn es zum Inflationsausgleich reicht. Diese Entwicklung endet nicht mit höherer Besteuerung der Profiteure, denn die passen ihre Einkünfte an oder entziehen sich.

Eher ist das Gegenteil der Fall: Die Industriestaaten, die sich immer mehr zu Dienstleistungsgesellschaften entwickeln mit noch mehr Geringverdienern, und zum Teil auch schon die Schwellenländer machen sich finanziell immer abhängiger von ihren Wohlhabenden und Reichen. Statt aus der Breite finanzieren sich die Staaten zunehmend aus der Spitze (und weil die Normaleinkommen im Schnitt stagnieren, aus immer höheren Verbrauchsteuern, die aber gerade Geringverdiener belasten). Das wird sich nicht fundamental ändern, wenn man mehr Erbschaftsteuer einnimmt und eine Vermögensteuer erhebt. Wenn solche Steuern nicht enteignend wirken sollen, dann ist der Ertrag daraus nicht so riesenhaft, um eine jahrzehntelange Fehlentwicklung zu korrigieren.

Einkommen sind Quelle von Vermögen

Der Regierungsbericht macht, wissenschaftlich fundiert, nochmals deutlich: Wer ein hohes Einkommen hat, kann mehr Vermögen bilden, kann mehr hinterlassen, und mit Glück (und Können, Fertigkeiten, solidem Verhalten, das gehört schon auch dazu) wird der Wohlstand und der Reichtum so über Generationen weitergereicht und vermehrt. Es kommt also vor allem darauf an, die Einkommen unten und in der Mitte wieder nachhaltig in Bewegung nach oben zu versetzen. Das allerdings ist ein Prozess, der länger dauern wird – so wie die gegenteilige Entwicklung über Jahrzehnte reichte und erst heute wirklich die Alarmglocken läuten lässt. Eine Maßnahme ist sicherlich mehr Transparenz - über Top-Gehälter, aber auch über die Einkommensverteilung in Unternehmen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false