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Politik: Gesetz für Gäste

Die Veranstalter der Olympischen Spiele erklären Touristen, wie sie sich in China zu benehmen haben

Im Apartmentkomplex an der Beichan Xilu hoffen einige Wohnungseigentümer immer noch auf das große Geschäft mit den Olympischen Spielen. Für eine abgewohnte, unrenovierte Zweizimmerwohnung, in der beim nachmittäglichen Besuchstermin der russische Mieter noch schläft, werden für die Zeit vom 8. bis zum 24. August 500 Euro verlangt. Pro Tag. Doch die Träume vom großen Geld dürften für viele Vermieter unerfüllt bleiben. Denn China unternimmt zurzeit vieles, was potenzielle Olympiabesucher aus dem Ausland abschrecken dürfte.

In dieser Woche veröffentlichte das Pekinger Organisationskomitee Bocog ein Dokument, in dem ausländischen Besuchern Benimmregeln für die Olympischen Spiele bekannt gegeben werden. Demnach sollen Olympiabesucher keine chinakritischen Bücher oder Zeitungen mitnehmen, sie sollen keine politischen Demonstrationen abhalten und sie sollen auch nicht glauben, dass sie ein Visum für China bekommen werden, nur weil sie ein Olympiaticket haben. „Die Besucher müssen sich an die chinesischen Gesetze halten“, sagt ein hochrangiger Vertreter der Pekinger Stadtregierung.

In 57 zum Teil seltsamen Fragen werden in dem Dokument den Olympiatouristen die chinesischen Gesetze näher gebracht. „Gibt es in China irgendwelche Regeln gegen Beleidigungen der Flagge oder nationaler Symbole?“, lautet eine Frage. Antwort: „Das Verbrennen oder Beschmutzen der chinesischen Flagge oder anderer Symbole ist ein krimineller Akt“. Oder: „Wo kann man eine Anzeige einreichen, wenn man nach dem Essen in einem Hotel oder Restaurant Durchfall oder Erbrechenssymptome verspürt?“ Antwort: „Symptome einer Lebensmittelvergiftung müssen beim örtlichen Gesundheitsamt angezeigt werden.“

Viele Fragen zielen darauf ab, politische Proteste oder Demonstrationen der Olympiabesucher zu verhindern. So wird erklärt, dass alle Versammlungen, Demonstrationen oder Umzüge an einer Sportstätte oder anderswo während der Spiele verboten sind, wenn sie nicht vorab vom Büro für Öffentliche Sicherheit genehmigt worden sind.

Ein Jahr vor den Olympischen Spielen hatte die Menschenrechtsgruppe Reporter ohne Grenzen in Peking eine nicht genehmigte Demonstration gegen die Einschränkungen der Pressefreiheit abgehalten. Seit April hat die chinesische Regierung die Visabestimmungen verschärft. So müssen Touristen in der Zeit der Olympischen Spiele Nachweise über Hotelbuchungen sowie Hin- und Rückflugtickets vorlegen. Zahlreiche Ausländer, die sich in Peking mit einem Kurzzeit-Businessvisum aufhalten, müssen wohl ab dem 1. Juli ausreisen. Zudem müssen Ausländer in Peking seit April jederzeit ihre Ausweisunterlagen bei sich tragen, in Apartmentanlagen mit hohem Ausländeranteil werden regelmäßig Kontrollen vorgenommen.

Der Kontroll- und Regulierungswahn der Pekinger Stadtregierung spiegelt sich auch in den 16 Gesetzespaketen wider, die für die Spiele erlassen wurden. Darunter „Regeln für die Förderung der Helfer-Serviceanbieter“ und „Regeln für das Gebiet um den Tiananmenplatz“. Seit Mai gelten für den zentralen Pekinger Platz verschärfte Sicherheitsbestimmungen. Die Benimmregeln erklären den Olympiatouristen auch, dass sie sich in einem besonderen Land befinden. „Nicht alles in China ist zurzeit offen für Ausländer, und wenn Ausländer keine Erlaubnis haben, sollten sie nicht in Gebiete reisen, die nicht offen für sie sind.“ Das Wort Tibet wird nicht erwähnt.

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