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Widerstand aus der Wirtschaft. Landwirtschaft und der Einzelhandel warnen vor Jobverlusten. Die Taxi-Besitzer protestieren gegen die Lohnuntergrenze, weil sie die Mehrkosten nicht einfach so auf ihre Preise aufschlagen könnten.

© picture alliance / dpa

Gesetzentwurf kommt nächste Woche: Andrea Nahles will Mindestlohn ohne Ausnahmen

Von 2015 an soll ein Mindestlohn von 8,50 Euro flächendeckend in Deutschland gelten, umstritten ist noch die Frage, in welchem Umfang es Ausnahmen geben wird. Arbeitsministerin Nahles zeigte sich bislang nur in einem Punkt gesprächsbereit.

Der gesetzliche Mindestlohn, mahnt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) immer wieder, dürfe nicht zum löchrigen „Schweizer Käse“ werden. Kommende Woche will Nahles den Gesetzentwurf für die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde vorlegen, sagte sie am Freitag. Von 2015 an soll dieser nach den Plänen der Koalition flächendeckend in Deutschland gelten. Umstritten ist noch, in welchem Umfang es Ausnahmen geben soll. Aus der Union gibt es Forderungen nach zahlreichen Sonderregeln. Das fordert auch die Wirtschaft.

Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte nach einem Gespräch mit Nahles und den Gewerkschaften, der Mindestlohn sei „grundsätzlich falsch“. Wenn er aber komme, „dann müssen wir eine Lösung finden, die am Ende auch praktikabel ist für die Betriebe“, sagte er. DGB-Vorstandsmitglied Reiner Hoffmann, sagte nach dem so genannten Branchendialog auf Einladung von Nahles, der DGB „hält Ausnahmen für nicht erforderlich“.

Abweichungen sollen bis 2017 möglich sein

Um den Tarifpartnern Zeit zur Umstellung zu geben, hatten Union und SPD vereinbart, bis 2017 Abweichungen vom Mindestlohn zu ermöglichen, wenn diese tarifvertraglich vereinbart sind. Danach soll von 2018 an die Höhe des Mindestlohns regelmäßig von einer Kommission überprüft werden. Diese soll unabhängig von der Politik Vorschläge machen. Bei der Anpassung sollen die Kommissionsmitglieder, zu denen auch Arbeitgeber und Gewerkschafter gehören, verschiedene Kriterien berücksichtigen, etwa die gesamtwirtschaftliche Lage, die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die Entwicklung der Tariflöhne.

In der Union fordert unter anderem CSU-Chef Horst Seehofer, beim Mindestlohn Rentner, Minijobber oder Saisonarbeiter außen vor zu lassen. Die Wirtschaft erhebt ebenfalls umfangreiche Forderungen: Die Taxi-Besitzer protestieren gegen den Mindestlohn, weil sie die Mehrkosten nicht einfach so auf ihre Preise aufschlagen könnten. Die Landwirtschaft und der Einzelhandel warnen vor Jobverlusten, vor allem in strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger sperrt sich gegen einen Mindestlohn für Zeitungsausträger.

Für Verdi gehen Pläne noch nicht weit genug

Doch die Gewerkschaften wehren sich vehement gegen ein Aufweichen des Mindestlohnes, der eine der zentralen Forderungen an die neue Regierung war. Der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gehen die Pläne der Koalition ohnehin nicht weit genug. So warb Verdi-Chef Frank Bsirske vor kurzem dafür, den Mindestlohn direkt nach seinem Inkrafttreten 2015 zum ersten Mal anzuheben und dann schnell auf zehn Euro steigen zu lassen. Deutschland stehe mit dem geplanten Stundenlohn von 8,50 Euro im internationalen Vergleich ohnehin am unteren Ende. Frankreich habe einen Mindestlohn von 9,53 Euro, die Niederlande von 9,11 Euro. Die Forderung nach einem Mindestlohn von zehn Euro ist allerdings auch innerhalb der Gewerkschaften nicht unumstritten. Der Arbeitsmarkt müsse erst einmal die 8,50 Euro verkraften, argumentiert etwa die IG BCE.

Ausnahmen bei Auzbis und Praktikanten

Arbeitsministerin Nahles zeigte sich bislang nur an einem Punkt gesprächsbereit: Die SPD will Ausnahmen vom Mindestlohn bei Auszubildenden akzeptieren und bei Praktikanten, die ihr Praktikum im Rahmen einer Ausbildung oder eines Studiums machen. Nahles argumentiert, mit jeder Ausnahme eines Wirtschaftszweiges drohe eine Klagewelle. Den Betroffenen sei schwer zu erklären, warum ihre Arbeit weniger wert sein solle. Die SPD-Politikerin erklärte sich aber bereit, über „begründete Ausnahmen für bestimmte Personengruppen“ zu diskutieren. Willkürliche Altersgrenzen für Jüngere lehnt Nahles zwar ab. Sie sagt aber auch, dass bei Jugendlichen der Anreiz nicht torpediert werden dürfe, eine Lehre aufzunehmen. In Großbritannien gibt es beim Mindestlohn eine Altersgrenze von 21 Jahren für jüngere Arbeitnehmer. In den Niederlanden sind die Mindestlohnansprüche bei Jüngeren prozentual gestaffelt, 15-jährige haben Anspruch auf 30 Prozent des Mindestlohns, 22-Jährige erhalten bereits 85 Prozent.

Arbeitgeberpräsident Kramer warnt außerdem davor, bei Langzeitarbeitslosen die Hürden für den Einstieg in einen Job durch einen Mindestlohn zu hoch zu legen. Bei der Arbeitsministerin stößt er auf offene Ohren: Nahles stellte in Aussicht, verstärkt Lohnkostenzuschüsse an Unternehmen zu zahlen, wenn diese bereit sind, Langzeitarbeitslose einzuarbeiten und einzustellen. (mit rtr)

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