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© dpa

Gesetzgebung: Auch die Nichtehe braucht Regeln

Jedes zehnte Paar lebt heute ohne Trauschein zusammen, Tendenz seit Jahren steigend. Der Juristentag in Erfurt widerspricht Bundesjustizministerin Zypries, die gerade erst neue Gesetze für nichteheliche Partner ablehnt hatte.

Die Ansprüche unverheirateter Eltern sollen nach dem Willen des 67. Deutschen Juristentags gestärkt werden. Trennen sich die Partner, soll ein Ausgleich des „wirtschaftlichen Ungleichgewichts“ vorgenommen werden, wenn sich ein Partner aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses um die gemeinsamen Kinder gekümmert habe, beschloss die Abteilung Familienrecht des Juristentags am Donnerstag in Erfurt.

Das traditionsreiche Gremium mit über 2700 Rechtsexperten stellt sich damit gegen Justizministerin Brigitte Zypries. Diese lehnte neue Gesetze für nichteheliche Partner kürzlich erst wieder ab. Wer Sicherheit suche, solle heiraten oder vor einem Notar Verträge schließen. Zypries findet es wichtiger, Homosexuellen in Lebenspartnerschaft endlich die gleichen Rechte einzuräumen wie Eheleuten, einschließlich der Steuervorzüge, wie sie am Mittwoch kundgab.

Die Rechtsexperten des Juristentags begründen ihr Votum mit der Lebenswirklichkeit. Jedes zehnte Paar lebt heute ohne Trauschein zusammen, Tendenz seit Jahren steigend. Und was die Frage nach neuen Gesetzen dringend macht: Die Unehelichen gebären immer mehr Kinder, während es bei den Ehelichen immer weniger Nachwuchs gibt.

„Dass Partner nicht heiraten oder keine Verträge schließen, bedeutet nicht, dass sie jegliche Rechtsfolgen für den Fall der Auflösung ihrer Partnerschaften ablehnen“, konstatierte die Bonner Familienrechtlerin Nina Dethloff in ihrem Gutachten für den Juristentag. Denn das „schutzwürdige Vertrauen“ entstehe spätestens dann , wenn die Partner sich Familien- und Erwerbsarbeit aufzuteilen begännen – und zwar so, dass einer wirtschaftlich das Nachsehen hat. Das entspricht zwar nicht dem Bild der Politik von einer modernen nichtehelichen Partnerschaft, ist aber gerade in Haushalten mit mehreren Kindern Realität. Bleibt die nichteheliche Mutter mit den Kindern zu Hause, gerät sie in ein prekäres Rechtsverhältnis. Nichtehelichen Partnern blieben viele Teilhaberechte verweigert, während sie etwa im Sozialrecht bei der Bedarfsgemeinschaft zunehmend in die Pflicht genommen würden, kritisierte die Berliner Familienrechtsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek. Viele „offene Baustellen“ offenbarten „erhebliche Gerechtigkeitslücken für die Betroffenen“, meinte die Juristin.

Der Mannheimer Richter und Rechtsprofessor Gerd Brudermüller, Vorsitzender des Familiengerichtstags, verlangte für langjährige Partner mindestens einen im Gesetz fixierten „zeitlich befristeten Ausgleichsanspruch, der zum Übergang in die Selbstständigkeit erforderlich ist“. Allerdings würde Brudermüller auch die Ansprüche nach der Ehe weiter schleifen. „Ethisch gerechtfertigt“ fände er es allein, wenn „ehebedingte Nachteile“ nach der Ehe ausgeglichen würden – also etwa, wenn ein Partner für Haushalt und Kinder auf den Beruf verzichtet hat.

Der Trend geht in diese Richtung, wie das seit Januar geltende Unterhaltsrecht zeigt. Nach der Ehe sollen die Partner schnell wieder für sich selbst sorgen müssen, so wie es getrennte Unverheiratete jetzt schon tun. So wird die wilde Ehe der bürgerlichen zwar noch nicht ähnlicher, dafür aber die bürgerliche der wilden.

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