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Gesetzgebung: Schuldengrenze: Zu viel oder zu wenig?

Die Gewerkschaften wollen eine Schuldengrenze im Grundgesetz verhindern. Der Verfassungsrichter Voßkuhle hält sie für unzureichend.

Berlin - Wird es noch einmal eng für die neue Schuldengrenze im Grundgesetz? Zumindest die Gewerkschaften machen zunehmend Druck auf das Gesetzgebungsverfahren für das wohl letzte Großvorhaben der schwarz-roten Koalition. Was in der Föderalismuskommission vorbereitet worden ist, stößt auf deutliches Missfallen etwa bei Verdi-Chef Frank Bsirske. Er sieht die Schuldengrenze gar als verfassungswidrig an. Erhebliche Bedenken gibt es – außer bei der Linkspartei und bei den Grünen – vor allem bei der SPD-Linken.

Nach der geplanten Neuregelung soll in wirtschaftlich normalen Zeiten die Neuverschuldung des Bundes pro Jahr nur noch um 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen dürfen (gegenwärtig wären das etwa acht Milliarden Euro), den Ländern wäre jede Neuverschuldung ab 2019 sogar untersagt. Bsirske sieht darin eine fundamental falsche Weichenstellung, wie er der Nachrichtenagentur AP sagte. Denn künftig würde vor allem dort gespart werden, wo es am flexibelsten möglich sei. Das trifft laut Bsirske nicht auf die Personalausgaben zu, es sei denn, es komme zu Entlassungen auf breiter Front. Investitionen dagegen seien flexibler kürzbar. Damit werde aber die Schuldenbegrenzung zur Wachstumsbremse. Laut DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki verhindert die Schuldenbremse, dass der  Staat auch in normalen Zeiten Innovationen anstoßen könne. Zudem würden Investitionen in die Infrastruktur behindert. Der Plan der großen Koalition ist für Matecki eine Gefahr für den Sozialstaat.

Bsirske würde eine Verfassungsklage sehr begrüßen, denn er sieht eine Beschränkung des Haushaltsrechts der Landtage und damit einen Eingriff in das Bundesstaatsprinzip. Ähnlich sieht das auch der Kieler Landtag, weshalb eine solche Verfassungsklage von Schleswig-Holstein ausgehen könnte. Deren Aussichten sind aber unklar. Und bislang hat es die Landtage auch nicht gestört, dass ihre Haushaltsautonomie bei den Einnahmen (sie sind praktisch ohne Steuerrechte) und den Ausgaben (durch oft sehr konkrete Bundesvorgaben) schon erheblich eingeschränkt ist.

Kritik an der Schuldengrenze kommt derweil auch aus Karlsruhe. Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, bezeichnete die vereinbarte Schuldenbremse im „Hamburger Abendblatt“ freilich als unzureichend. Sie „geht nicht sehr weit über das hinaus, was wir schon jetzt im Grundgesetz an Begrenzungen für neue Schulden vorfinden“, meint er. Und: „Wir müssen die staatlichen Ausgaben wieder auf ein vernünftiges Maß zurückführen.“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), einer der Hauptverfechter der Schuldengrenze, ist derweil guter Dinge, dass sich trotz der Bedenken bei der SPD-Linken im Bundestag die nötige Mehrheit findet. „Da baue ich darauf, dass bei der SPD die Autorität von Fraktionschef Peter Struck und Finanzminister Peer Steinbrück, aber auch von Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Parteichef Franz Müntefering ausreicht, um eine klare Mehrheit ihrer Abgeordneten zur Zustimmung zu bewegen“, sagte er dem Tagesspiegel.

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