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Politik: Geste auf dem Rugbyfeld

Westerwelle gedenkt in Uganda der Terroropfer – und teilt bei der Afrikanischen Union die Ratlosigkeit seiner Kollegen über den Konflikt in Somalia

Elf Tage lang ist das Rugbyfeld mitten in der ugandischen Hauptstadt Kampala militärisches Sperrgebiet gewesen. Seit dem Selbstmordanschlag auf eine Menschenmenge, die am 11. Juli das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft auf einer Leinwand im Freien verfolgt hat, durfte niemand den Tatort betreten. Nahezu gleichzeitig hatte sich in einem äthiopischen Restaurant ein weiterer Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Mehr als 80 Menschen sind inzwischen an den Folgen der Attentate gestorben. Ein dritter Sprengsatz, der im Vergnügungsviertel Kampalas hätte hochgehen sollen, zündete dagegen nicht.

Die ugandische Presse ist am Donnerstag ziemlich vollständig gekommen. Denn der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hat sich angekündigt. Er hat nicht nur vor den Außenministern der Afrikanischen Union (AU) als erster deutscher Außenminister überhaupt eine Rede gehalten. Er wollte auch ein Zeichen setzen, das Mitgefühl für diese „nationale Tragödie“ beweist. Also haben die ugandischen Behörden auf deutschen Wunsch das Rugbyfeld geöffnet, damit der Minister, der für 18 Stunden aus Deutschland eingeschwebt ist, einen Kranz niederlegen kann. Staatsminister Okello Oryem, der mit Westerwelle vor dem Kranz steht, ist sichtlich gerührt. Westerwelles Geste hat ihre Wirkung nicht verfehlt.

Die lokale Presse hat die Chance genutzt, zum ersten Mal an den Ort des Schreckens zurückzukehren. Vom Anschlag ist nicht mehr viel zu sehen; der Regen hat das Blut Dutzender Toter und schwer verletzter Menschen weggewaschen. Ein paar hundert Kronkorken liegen noch im Gras. An der Wand eines angrenzenden Gebäudes sind kleine Einschlaglöcher zu sehen – nicht von Gewehrkugeln, sondern von Kronkorken, die mit großer Wucht gegen die Betonwand geschleudert worden sind. Es ist still bis auf die Schreie einiger Hadada-Ibisse, die über das Feld fliegen und dabei ihren Gesang ausstoßen, der wie lautes Gelächter klingt. Als der Minister sich zum Gehen wendet, fährt ein Zug vorbei, der minutenlang ein Warnsignal gibt. Der Moment des Innehaltens ist vorbei. Das Leben muss weitergehen, finden zumindest viele Kampaler.

Dennoch wird es einige Zeit dauern, bis das auch für das Rugbyfeld gilt. Bis zum Tag der Attentate war es ein Ort der Freude. Von Freitag bis Sonntag ist dort jede Woche gefeiert worden. Bands traten auf, auch Public Viewing gehörte zu den häufigeren Vergnügungen. Zwar hat im Moment kaum jemand in Kampala Lust auszugehen. Die Stimmung ist noch immer gedrückt, berichten Mitarbeiter der deutschen Botschaft. Aber einen Ersatz für dieses Rugbyfeld gibt es in Kampala nicht. Deshalb kündigt Okello Oryem für den 31. Juli einen Gottesdienst am Tatort an. Vielleicht wagen sich die Kampaler danach wieder aufs Feld. „Aber es wird nie mehr sein, wie es war“, sagt ein Radiomoderator.

Die somalische Islamistenmiliz Al Shabaab hat sich zu den Attentaten bekannt – und weitere angekündigt, einige hundert Kilometer südlich in Bujumbura, der Hauptstadt Burundis. Uganda mit 3400 Soldaten und Burundi mit 1600 sind die einzigen Staaten, die bisher Truppen für die Friedensmission der Afrikanischen Union, Amisom, stellen. Sie versuchen, die vom Westen gestürzte Übergangsregierung von Sharif Scheich Ahmed zu schützen. Anfang des Jahres hat sich Al Shabbab mit großer Geste Al Qaida angeschlossen, nachdem die USA jahrelang behauptet hatten, dass es diese Verbindung gebe. Wie eng sie ist, ist allerdings umstritten. Nach den Anschlägen hat der Sicherheitsrat der AU eine Aufstockung der Truppe um 2000 Soldaten beschlossen. Allerdings ist es seit dem Beschluss 2008 bis heute nicht gelungen, auch nur die längst beschlossene Truppenstärke von 8000 Mann zu erreichen. Nigeria, Ghana und Sierra Leone haben Soldaten zugesagt, sie aber nie in Bewegung gesetzt.

Ugandas Präsident Yoweri Museveni, der vor 24 Jahren an der Spitze seiner Rebellenarmee die Macht übernommen hat und seither drei Mal wiedergewählt worden ist, hat Al Shabaab mit Vergeltung gedroht. Außerdem sei Uganda bereit, selbst 2000 weitere Soldaten nach Somalia zu schicken, sagte er am Tag nach den Anschlägen. In der Bevölkerung kommt diese Ankündigung nicht besonders gut an. Doch Museveni scheint es im Vorwahlkampf wichtig zu sein, keine Schwäche zu zeigen. 2011 will er zum vierten Mal zum Präsidenten gewählt werden. Museveni ist nicht der Einzige, der ratlos ist, wenn es um eine Lösung für das seit fast 20 Jahren in einer Kette aufeinanderfolgender Bürgerkriege gefangene Somalia geht.

Beim Außenministertreffen der Afrikanischen Union ist Somalia ein wichtiges Thema. Doch niemand hat eine Idee, wie ein Weg aus dem Elend für die Bevölkerung des Landes aussehen könnte. Auch Westerwelle nicht. In seiner Rede vor der AU, die in einem schicken Kongresszentrum am Ufer des Viktoriasees tagt, sagt er: „Wir müssen zusammenarbeiten, um Somalia zu stabilisieren.“ Später, auf dem Weg zum Flughafen, wird er eine Aufstockung der humanitären Hilfe für Somalia bekannt geben. Das Auswärtige Amt stellt eine Million Euro mehr als geplant für die Versorgung der Binnenflüchtlinge und Verwundeten in Somalia zur Verfügung. Das Internationale Rote Kreuz soll die Menschen mit Nahrung, Wasser, Medikamenten und Notunterkünften versorgen. Insgesamt gibt Deutschland dafür in diesem Jahr 2,6 Millionen Euro aus. Die Militärmission Atalanta vor der Küste Somalias, mit der Piraten daran gehindert werden sollen, Schiffe zu entführen und Lösegelder zu erpressen, kostet in diesem Jahr dagegen 47,5 Millionen Euro. Dennoch betont Westerwelle: „Wir dürfen nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern müssen auch an die Wurzel der Konflikte.“ Das sagt er kurz vor seinem Abflug aus Kampala, als er die Ausbildungsmission der Europäischen Union und Ugandas für somalische Soldaten besucht.

Das Hauptquartier der EUTM-Mission Somalia ist in ein ehemaliges Hotel in Kampala eingezogen. Kommandant Ricardo Elul berichtet, dass innerhalb eines Jahres 2000 somalische Soldaten ausgebildet werden sollen. Jeweils ein halbes Jahr werden Soldaten, die von der Übergangsregierung in Mogadischu ausgewählt werden, in Uganda geschult. Rund 600 sollen zu Offizieren weitergebildet werden, denn „in der somalischen Armee mangelt es an einer Befehlskette“, analysiert Elul.

Just am Donnerstag stellt die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen den Verdacht in den Raum, die Europäer würden Kindersoldaten ausbilden. Das weist Westerwelle zurück. Einige Soldaten seien sogar zurückgewiesen worden, weil sie bei der Eingangsuntersuchung als zu jung befunden worden seien. Allerdings verliert er kein Wort der Kritik über die Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, die offenkundig sehr junge Männer und auch ein paar Frauen anwirbt.

In Kampala trifft der Minister auf eine kleine Gruppe somalischer Soldaten. Eine Frau, sechsfache Mutter, deren Mann bei einem Anschlag der Islamisten getötet wurde, sagt, sie wolle ihre Familie verteidigen. Ein junger Mann sieht im Kampf für die Übergangsregierung eine Chance, aus dem seit 20 Jahren überfüllten Flüchtlingslager Dadab im Norden Kenias zu entkommen. Westerwelle hält sich damit allerdings nicht allzu lange auf. Lieber weist er darauf hin, dass Deutschland mit seinen derzeit sechs Ausbildern – Ende August sollen es 13 sein – seinen Beitrag zur Stabilisierung der Lage in Somalia leiste. Denn es könne „nicht im Interesse einer Exportnation wie Deutschland sein“, wenn das Land weiter zerfalle.

Die Anschläge in Uganda haben die Afrikaner, aber auch die Europäer aufgeschreckt. Doch angesichts der Aussichtslosigkeit des somalischen Konflikts will niemand mehr Geld oder politisches Kapital einsetzen als unbedingt notwendig. Westerwelle drückt das so aus: „Immer öfter werden für afrikanische Probleme afrikanische Lösungen gefunden.“

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