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Politik: Gesucht: ein neuer Rahmen für Europa

Damit sich die Griechenland-Krise nicht wiederholt, stehen nun Reformen auf der Agenda der EU

Die Debatte über die Lehren aus der Euro- Krise läuft seit Wochen. Am Freitagabend auf dem Gipfeltreffen der 16 Länder, in denen mit der Gemeinschaftswährung bezahlt wird, hat sie Schub von höchster Ebene bekommen. Die Staats- und Regierungschefs legten in Brüssel ein Bekenntnis zu Reformen ab. Basis dafür sind die Ideen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy am Vortag in einem Brief an die EU-Spitzen niedergelegt hatten. Der Reformprozess soll bis Herbst konkrete Formen annehmen – nicht nur die europäische Wirtschaftspolitik, sondern auch die Regulierung der Finanzmärkte, die sich im Fall Griechenland augenscheinlich weniger an wirtschaftlichen Fakten orientieren, sondern eine Pleite des Landes herbeiführen wollen. Es gebe „keine Zeit mehr“, sagte Merkel am Rande des Brüsseler Gipfels, „das muss schnell gehen“.

Den Anfang in der Regulierungsfrage macht am Montag das Europaparlament. Dort wird im Wirtschaftsausschuss über ein Paket abgestimmt, das eine starke europäische Finanzaufsicht installieren würde. Vor allem Rating-Agenturen, die mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands, Portugals und Spaniens zuletzt noch Öl ins Feuer gegossen hatten, stehen im Blickpunkt. So wollen Merkel und Sarkozy „die mögliche Rolle von Rating-Agenturen bei der Verschärfung von Krisen“ untersuchen lassen: „Potenzielle Maßnahmen sollen striktere Standards unter europäischem Recht einschließen.“

Mehr wirtschaftliche Koordinierung, striktere Sanktionen für Defizitsünder und Europas künftiger Umgang mit Krisen à la Griechenland – das ist der zweite Pfeiler der Reformbemühungen. Dazu wird EU-Währungskommissar Olli Rehn am Mittwoch detaillierte Vorschläge machen. Deutschen Diplomaten zufolge werden sie sich mit Neuerungen befassen, „die ohne Änderung der europäischen Verträge kurzfristig umsetzbar sind“.

Dazu zählen etwa die wirtschaftspolitischen Richtlinien im Rahmen der EU-2020-Strategie. Ausgehend von gemeinsamen Zielen sollen die EU-Staaten nationale Zielmarken für Haushalt, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsquote definieren, die dann jährlich in Brüssel bewertet werden. Der Anreiz, das Vereinbarte umzusetzen, wird in der Koppelung der EU-Strukturhilfemilliarden an die Erfüllung der Ziele bestehen. Zudem ist daran gedacht, das europäische Defizitverfahren mit einem Automatismus auszustatten. Sanktionen würden dann sofort und nicht mehr erst dann greifen, wenn alle EU-Finanzminister, also auch der des betroffenen Landes, zugestimmt haben.

Neben den kurzfristigen Maßnahmen steht der langfristige Reformbedarf. Auf deutschen Druck hin beauftragte der EU-Gipfel Ende März den Ratspräsidenten Herman van Rompuy mit der Bildung einer Arbeitsgruppe, die sich am 21. Mai erstmals trifft. Die Bundesrepublik wird von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vertreten. Der Eurozonen-Gipfel wollte EU-Diplomaten zufolge van Rompuy konkreter signalisieren, in welche Richtung die Gruppe arbeiten soll.

Die gibt erneut der Merkel-Sarkozy- Brief vor, in dem „wirksamere Sanktionen im Rahmen des Defizitverfahrens, sowie eine bessere Übereinstimmung der nationalen Haushaltsrahmenwerke“ angesprochen sind. In Kreisen der EU-Kommission gab man sich gestern „enttäuscht“ über den Brief. Weitergehende Vorschläge lägen schon lange auf dem Tisch. Zugleich will sich der Europäische Rat als Wirtschaftsregierung Europas verstehen, der eine „Ausdehnung der Überwachung auf strukturelle Fragen“ anstrebt. Man müsse, so Merkel in Brüssel, „Vorsorge treffen für die Stabilität des Euro“. Das Projekt eines eigenen Europäischen Währungsfonds, das Schäuble im März selber angestoßen hat, wird ihn erneut beschäftigen. Merkel und Sarkozy erwarten bis Oktober konkrete Ergebnisse.

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