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Politik: Gesucht: ein Platz für Saddam

US-Außenminister Powell hofft auf einen Machtwechsel im Irak ohne Krieg – der Diktator müsste dafür ins Exil

Von F. Diederichs, Washington,

und Andrea Nüsse, Amman

Wenige Tage vor Beginn der Militäraktion im Jahr 1991, mit der der frühere US-Präsident George Bush die Invasion Kuwaits durch irakische Truppen beendete, stellte sich in Saddam Husseins Regierungspalast ein prominenter Abgesandter vor: Der KGB-Veteran und spätere russische Ministerpräsident Jewgenij Primakow. Offiziell im Auftrag der russischen Regierung unterwegs, appellierte er an den Despoten in Bagdad, seine Truppen zurückzuziehen – und bot ihm angeblich sogar Asyl an. Doch Saddam Hussein lehnte ab und erlitt in der „Mutter aller Schlachten“ die absehbare Niederlage.

Heute hoffen Diplomaten rund um den Erdball auf größere Einsicht des Diktators. Während das Pentagon in den vergangenen Tagen den Aufmarsch der US-Truppen in der Golfregion beschleunigt hat, sondiert der als moderat geltende und einer Militäraktion skeptisch gegenüberstehende US-Außenminister Colin Powell im Stillen gemeinsam mit Vertretern gemäßigter arabischer Staaten und russischen Diplomaten die Chancen einer – wie es in Washington heißt – „perfekten Lösung": eines Machtwechsels im Irak ohne Krieg. US-Präsident George W. Bush könnte damit sein wichtigstes Ziel erreichen, ohne dass ein einziger US-Soldat sein Leben bei einer riskanten Militäraktion verlieren würde: eine Verabschiedung von Saddam Hussein und seiner Familie ins Exil und die daraus resultierende Chance, durch eine neue Regierung eine bessere Kontrolle über die irakischen Rüstungsbemühungen zu haben.

Die US-Regierung versucht offenbar, eine Militäraktion so wahrscheinlich wie möglich zu machen, um gleichzeitig jene arabischen Staaten zu intensiver Diplomatie mit Saddam Hussein zu bewegen, die ein vehementes Interesse an der Vermeidung eines zweiten Golfkriegs haben. Die Wirkung zeigte sich in den vergangenen Tagen deutlich: So formulierte der saudische Außenminister die Hoffnung, in letzter Minute doch noch einen Krieg verhindern zu können: „Wir hoffen, dass arabische Staaten die Möglichkeit haben, die Situation zu entschärfen,“ zitierte ihn jetzt eine Zeitung.

In US- Regierungskreisen hält man es deshalb für wahrscheinlich, dass spätestens mit der Vorlage des Berichts der UN-Waffeninspekteure am 27. Januar eine Delegation arabischer Staaten bei Saddam Hussein vorstellig wird, um eine so genannte „Ausgangsstrategie“ zu debattieren. Denn die USA haben längst deutlich werden lassen, dass selbst ein für Saddam Hussein positiver Bericht der Kontrolleure nichts daran ändern wird, dass Washington weiter einen erheblichen Verstoß gegen die UN-Resolution sieht. „Der Irak muss selbst schlüssig nachweisen, dass er sich entwaffnet hat. Das ist nicht geschehen, weil die vorgelegten Dokumente den Verbleib von Waffen und Kampfstoffen nicht aufklären“, ist dabei die stets wiederholte Kernaussage des Sprechers von US-Präsident Bush.

Unklar ist offenbar noch, welches Land am Ende bereit wäre, Saddam Husseins Clan eine neue Heimat zu bieten. Fraglich ist auch, ob ein Asyl – verbunden möglicherweise mit Immunität – den Diktator auch vor einer strafrechtlichen Verfolgung durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen des Einsatzes von Giftgas gegen Kurden im Nordirak bewahren könnte. Als mögliche Gastländer werden derzeit immer wieder Syrien, Libyen und auch Russland genannt. „Bevor es einen Krieg gibt, wird sich ein Land bereit finden“, zitierte jetzt auch die britische „Financial Times“ einen arabischen Diplomaten. Doch das letzte Wort liegt wiederum bei Saddam selbst.

Um die arabischen Verbündeten wirbt auch der britische Premier Tony Blair. Er hat seinen Urlaub über Neujahr mit der gesamten Familie in der Stadt Scharm el-Scheich am Roten Meer verbracht. Das gab ihm die Gelegenheit, sich informell und ohne großes Aufsehen mit dem ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak und dem jordanischen König Abdallah II. zu treffen. Am Neujahrstatag war Blair mit Mubarak zum Dinner verabredet, am Tag darauf flog er in die jordanische Küstenstadt Aqaba am Roten Meer, um dort Abdallah II. für zwei Stunden zu sehen. Offizielle Angaben über die Gespräche gab es nicht.

Gegen einen möglichen Angriff auf den Irak demonstrierten unterdessen in Pakistan mehrere tausend Menschen. Begleitet wurden die Proteste in mehreren Städten von scharfen Sicherheitsvorkehrungen. In Peshawar beteiligten sich rund 7000 Menschen an der Kundgebung vor einer Moschee. Sie skandierten Parolen wie „Nieder mit Amerika“ und „Lang lebe Saddam Hussein“. In Multan verbrannten 1500 Menschen eine Puppe von US-Präsident George W. Bush und kritisierten den pakistanischen Staatschef General Pervez Musharraf für seine Unterstützung der UN. Zu den Protesten hatte eine Koalition ultrakonservativer religiöser Parteien aufgerufen.

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