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Gesundheit: Welle der Kritik am Koalitions-Kompromiss

Der Berliner Gesundheitskompromiss stößt sowohl bei der Opposition als auch bei den Krankenkassen und in der Wirtschaft auf eine Welle der Kritik. Sogar in Teilen von Union und SPD wurde am Donnerstag Unmut über die Vereinbarung der Koalitionsspitzen laut.

Berlin - Vom CDU-Vorstand bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) jedoch Rückendeckung. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) lobte, die große Koalition habe Handlungsfähigkeit bewiesen. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, Gesichtswahrung sei in dem schwarz-roten Regierungsbündnis wichtiger als Problemlösung. Er forderte einen endgültigen Verzicht auf den umstrittenen Gesundheitsfonds. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer sprach von einem "faulen Kompromiss". Linksfraktionschef Gregor Gysi warf der großen Koalition "Gemurkse" vor.

Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen warnten, die Vereinbarung sei zu Lasten der Versicherten und der Beitragszahler getroffen worden. Es werde nun eine radikale Umgestaltung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit "fatalen Wirkungen" geben. So müssten insbesondere Kassen mit vielen einkommensschwachen und kranken Versicherten eine hohe Zusatzprämie erheben, was zur Abwanderung der Einkommensstarken in Richtung Privater Krankenversicherung (PKV) führen werde. Scharfe Kritik kam auch von der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Deren Präsident Rudolf Kösters warnte, die Pläne der großen Koalition bedeuteten einen Einstieg "in die Rationierung medizinischer Leistungen". Der Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands (NAV-Virchow-Bund) sagte einen weiteren Abbau von Arbeitsplätzen in den Praxen voraus.

Industrieverband: "Klassenziel verfehlt"

Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, monierte, die große Koalition habe "ihr Klassenziel verfehlt: Sie ist sitzen geblieben auf ihren Eckpunkten, die nicht ausreichend sind." Die Pläne böten weder einen Durchbruch für mehr Wettbewerb und Kosteneffizienz noch ein positives Signal für den Arbeitsmarkt. Thumann fügte hinzu: "Die Versicherungsbeiträge werden weiter steigen, statt zu sinken."

Das DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach kündigte an: "Wir werden alles daran setzen, dass der Murks vom Tisch kommt." Die Abgeordneten von Union und SPD müssten wissen, dass der geplante Gesundheitsfonds einen "ungesunden Wettbewerb" und ein "Ende der Solidarität" bedeute.

"Verheerend für viele Versicherte"

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Wolfgang Wodarg sagte: "Für viele Versicherte wird sich die Reform verheerend auswirken." Er wisse nicht, ob es hierfür Mehrheiten geben werde. Der Vizechef der Arbeitnehmer-Union der CSU (CSA), Konrad Kobler, warf der großen Koalition "Augenwischerei" vor. Die Verschiebung des Gesundheitsfonds auf das Jahr 2009 sei ein Zeichen dafür, dass dieses "Bürokratiemonster" ein "Dauerbrenner" werde.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonte dagegen, in einer Schaltkonferenz des Parteivorstandes habe es eine "breite Zustimmung" zur Einigung der Koalitionsspitzen gegeben. Es sei ein "gutes Ergebnis" erreicht worden. Zudem habe Merkel "Führungsstärke bewiesen". CSU-Generalsekretär Markus Söder sprach von einem "vertretbaren Kompromiss". (tso/ddp)

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