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Gesundheitspolitik: Unmut über private Kassen

Unionspolitiker kritisieren steigende Versicherungsbeiträge – und sinnen über Abhilfe nach

Berlin - In der Union wächst der Ärger über die Tarifsteigerungen und das Gebaren der privaten Krankenversicherung (PKV). „Viele Privatversicherte können die steigenden Beiträge nicht mehr schultern“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), dem Tagesspiegel. Ähnlich äußerte sich deren gesundheitspolitischer Sprecher Jens Spahn (CDU). Bei der Beitragsentwicklung sei „ohne Zweifel für viele die Grenze des Zumutbaren erreicht“. Aus sozialen Erwägungen bestehe „dringender Handlungsbedarf“.

Bei den Betroffenen handle es sich „nicht nur, wie vielfach unterstellt, um eine kleine Gruppe von Bestverdienern, sondern vor allem um kleine und mittlere Beamte, die gar nicht anders können als privat versichert zu sein“, betonte Singhammer. Allerdings hielten deren Einkommen „bei weitem nicht Schritt mit den aktuellen Beitragssteigerungen“. Und weil der „kleine Polizeibeamte“ auch jedes Familienmitglied gesondert versichern müsse, fielen die gestiegenen Prämien gleich mehrfach ins Gewicht. „Um diese soziale Frage müssen wir uns kümmern“, forderte der CSU-Politiker.

Dabei wollen die Unionspolitiker auch den Versicherern entgegenkommen. Man müsse ihnen „Spielräume zur Kostensenkung“ eröffnen, sagt Singhammer – etwa, indem man ihnen mehr Einfluss auf Arzthonorare, Leistungsmengen und Qualität gewähre. Es brauche „Öffnungsklauseln“ in den Gebührenordnungen, meint auch Spahn. Die Versicherer müssten wie die gesetzlichen Kassen mit den Leistungserbringern verhandeln dürfen – und auf diese Weise ihre hohen Leistungsausgaben begrenzen können.

Den Ärzten, die glauben, ihr angebliches Draufzahlgeschäft mit Kassenpatienten zunehmend über Privatversicherte kompensieren zu müssen, gefallen solche Ideen gar nicht. „Das einzige Ziel von Öffnungsklauseln ist Preisdumping“, sagte Ärztekammer-Vize Frank Ulrich Montgomery dem Tagesspiegel. In den Entwürfen für die überfällige neue Gebührenordnung für Ärzte bemühe man sich gerade um „echte und betriebswirtschaftlich sauber kalkulierte Preise“. Es mache keinen Sinn, wenn diese wieder unterboten werden könnten.

Dem Kontostand der 8,7 Millionen Privatversicherten dagegen käme es zugute, wenn die Versicherer nicht mehr automatisch jede Doppelt- und Dreifachuntersuchung bezahlen müssten, noch dazu zum bis zu 3,5-fachen Kassensatz. Er kenne viele Pensionäre, die wegen der Beitragssteigerungen der vergangenen Jahre „nicht mehr aus noch ein wissen“, sagte Spahn. Laut Stiftung Warentest stiegen die Prämien der privat Versicherten seit 1986 im Schnitt pro Jahr um sechs Prozent. Das liegt nicht nur weit über Einkommensentwicklung und Inflationsrate, es ist auch das Doppelte dessen, was den gesetzlich Versicherten an Kostensteigerung zugemutet wurde. Zum Jahreswechsel erhöhten die 47 Privatversicherer die Beiträge erneut – um durchschnittlich 7,53 Prozent, mancher Versicherte muss sogar bis zu 25 Prozent mehr bezahlen. Und die Begründung war immer dieselbe: steigende Leistungsausgaben.

Wegen der Altersrückstellungen und chronischer Krankheiten ist es Älteren faktisch kaum möglich, den Erhöhungen auszuweichen und etwa zu anderen Unternehmen zu wechseln. Hinzu kommt, dass viele Versicherer inzwischen bei der Tarifgestaltung tricksen. Um junge und gesunde Kundschaft zu ködern, verbilligen sie deren Tarife – und schotten sie gegen ihre Altkunden ab. Diese müssen dann in Tarifen verharren, denen es an jungen Versicherten mit geringeren Risiken fehlt, und dort überdurchschnittliche Prämienzuwächse in Kauf nehmen.

Nach Tagesspiegel-Informationen hält das FDP-geführte Wirtschaftsministerium ein Gutachten, das den Versicherern solche Praktiken bescheinigt, unter Verschluss. Da es in der Branche kein echtes Werben um Bestandskunden gebe, fehle es an effizientem Wettbewerb, heißt es in der Studie, die vom Berliner Iges-Institut und dem früheren Wirtschaftsweisen Bert Rürup verfasst wurde. Man werde sich, kündigte Spahn an, „mit diesem Gutachten mal intensiv beschäftigen müssen“. Mit ihrem Gebaren jedenfalls, so warnt ein CDU-Experte, „graben sich die Privatversicherer ihr eigenes Grab“.

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