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Politik: Gesundheitspolitik: "Zu Hause brennt die Luft"

Als ihr Vor-Vorgänger aufsteht und an das Rednerpult im Bundestag geht, blickt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in der Regierungsbank aus ihren Akten auf. Langsam legt sie den gelben Markierstift zur Seite und lehnt sich zurück.

Als ihr Vor-Vorgänger aufsteht und an das Rednerpult im Bundestag geht, blickt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in der Regierungsbank aus ihren Akten auf. Langsam legt sie den gelben Markierstift zur Seite und lehnt sich zurück. Aufmerksam hört sie zu, was Horst Seehofer (CSU), der letzte Gesundheitsminister der Regierung Kohl, ihr in der Aktuellen Stunde des Parlaments zu sagen hat. "Sie haben sich entschieden, eine Gesundheitsreform erst nach der Wahl zu machen", wirft Seehofer der Ministerin vor und ergänzt, was er wegen der steigenden Beiträge davon hält: "Das ist der Inbegriff der Unfähigkeit." Und wie schätzt Seehofer die Ankündigung der Ministerin ein, zu einer Aufsplittung in Pflicht- und Wahlleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung werde es nicht kommen, obwohl im Kanzleramt genau darüber nachgedacht wird? "Spätestens nach dem Befehl aus dem Kanzleramt fallen sie wie die Dominosteine um", rief Seehofer der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zu.

Eigentlich sollte es in der Aktuellen Stunde um die Beitragserhöhungen bei den Krankenkassen gehen. Nachdem aber zwei Tage vorher ein internes Arbeitspapier des Kanzleramtes bekannt geworden war, in dem unter der Überschrift "Vorhaben des BMG (Bundesministerium für Gesundheit) für die nächste Legislaturperiode" drastische Leistungskürzungen für die Versicherten und die Aufspaltung in Pflicht- und Wahlleistungen aufgelistet werden, nutzte die Opposition die Stunde zum Generalangriff auf Ulla Schmidt. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Lohmann fragt nach dem umstrittenen Papier und meint zweifelnd: "Die Ministerin kennt das gar nicht." Kein Problem: "Sie können es von mir bekommen."

Ulla Schmidt blättert derweil in ihren Akten. Eigentlich wollte sie jetzt in den USA sein, statt sich im Bundestag für steigende Beiträge der Krankenkassen und Indiskretionen aus dem Kanzleramt rechtfertigen zu müssen. Für halb zehn Uhr vormittags stand in Washington noch ein Gespräch mit deutschen Journalisten auf dem Programm. Kurzfristig kam aus der Botschaft die Absage. "Zu Hause brennt die Luft", hieß es lapidar. Schmidt musste vorzeitig zurück, um im Bundestag Rede und Antwort zu stehen.

Der Ministerin ist die Anspannung anzumerken, als sie nach Seehofer ans Rednerpult tritt. "Wir haben den Beitragssatz auf der Höhe von 1998 gehalten", sagt sie. Bis jetzt. Und die drastischen Erhöhungen bei der AOK in Baden-Württemberg und Hessen? Die "haben schon seit 1996/1997 eine prekäre Finanzlage" und hätten deshalb jetzt ihre Beiträge anheben müssen, meint Schmidt. Doch sie räumt ein, "selbstverständlich muss uns das Sorge machen, wenn die Beiträge steigen". Wild gestikulierend listet sie auf, was die Regierung schon alles für stabile Beiträge getan habe.

Doch was ist mit dem Papier aus dem Kanzleramt? Was plant die Regierung in ihrer nächsten Gesundheitsreform? Schon die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Gudrun Schaich-Walch, schwieg dazu beredt. Ministerin Schmidt widmet dieser Frage immerhin einen ganzen Satz in ihrer Rede: "Eine Reform im Gesundheitswesen hat immer eine ganze Menge von Schritten, die auch vorgenommen werden müssen." Alles klar?

Carsten Germis

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