zum Hauptinhalt

Gesundheitsreform: Fortbestand der Krise

Die Atmosphäre sei gut gewesen, heißt es hinterher, doch das Thema war bitterernst. Der Streit um die Gesundheitsreform ist die bislang schwerste Krise der großen Koalition.

Berlin - Betont gelassen und demonstrativ scherzend schlenderten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Kurt Beck (SPD) nach ihrem Krisentreffen durch das Kanzleramt zu den wartenden Journalisten. 50 Minuten dauerte ihr Gespräch.

Zwar betonten Merkel und Beck am Freitag ihren gemeinsamen Willen, die Reform wie geplant umzusetzen. Doch insbesondere die Ministerpräsidenten der Unions-geführten Länder dringen weiter auf Änderungen an den vereinbarten Eckpunkten. Führende SPD-Politiker lehnten dagegen Änderungen kategorisch ab.

Kritik der Länderchefs

Die Unions-Länderchefs fordern insbesondere eine Änderung der sogenannten "Überforderungsklausel", die eine ein-prozentige Deckelung bei den Zuzahlungen an die Krankenkassen vorsieht. "Wir haben gute Argumente, dass die Ein-Prozent-Regelung objektiv nicht ausreicht", sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) am Rande einer Sitzung des Bundesrats in Berlin. "Was vereinbart werden soll, muss auch Sinn machen", pflichtete ihm sein Parteikollege, Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, bei.

Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten sich die Unions-Ministerpräsidenten in der Nacht zu Freitag offenbar auf diese Linie verständigt. Insbesondere die mächtigen Unions-Ministerpräsidenten von Bayern, Hessen und Niedersachsen, Edmund Stoiber, Roland Koch und Christian Wulff, die allesamt 2008 Landtagswahlen vor sich haben, befürchten als Folge der Gesundheitsreform Beitragserhöhungen, die am Ende ihnen angelastet werden könnten.

Die Grenzen von Merkels Macht

Beobachter vermuten hinter dem Aufstand der Unions-Ministerpräsidenten gegen Merkel aber auch machtpolitische Motive. Im Streit um die Gesundheitsreform werden der Kanzlerin überdeutlich die Grenzen ihrer Macht aufgezeigt. Merkels Ankündigung, notfalls den Vermittlungsausschuss einzuschalten, hat dem Vernehmen nach insbesondere in Bayern für Verärgerung gesorgt. Offen wird in der Unionsführung bereits die Möglichkeit erwogen, den vereinbarten Kompromiss komplett zu kippen und noch mal neu zu verhandeln.

Für die SPD kommt das nicht in Frage. "Pacta sunt servanda" heißt es bei den Sozialdemokraten, das Vereinbarte müsse gelten, sonst sei die Handlungsfähigkeit der Koalition in Frage gestellt. Die Motive der Unions-Ministerpräsidenten sind den Genossen einigermaßen schleierhaft. Die Regierungschefs wollten offenbar nur ihr Ego pflegen. Ein ernsthaftes Interesse, die Koalition platzen zu lassen, könnten sie doch gar nicht haben. Ein potenzieller Nachfolger für Merkel sei nicht in Sicht. Und Neuwahlen im Winter, das wäre für beide Seiten schon rein organisatorisch ein Graus. Von einer "Chaosstrategie" der Unions-Fürsten ist die Rede.

SPD-Chef setzt auf Ein-Prozent-Regelung

Unmittelbar vor dem Treffen mit Merkel lehnte SPD-Chef Beck Änderungen an den vereinbarten Eckpunkten zur Gesundheitsreform noch einmal kategorisch ab. Die Ein-Prozent-Regelung sei "Kernbestandteil" der Reform und dürfe nicht verändert werden. Für die Sozialdemokraten ist dieser Eckpunkt von zentraler Bedeutung, verhindert er doch die faktische Einführung der verhassten Kopfpauschale der Union.

Auch nach dem Gespräch mit der Kanzlerin erklärte Beck die geplante Obergrenze bei der Zusatzprämie für Krankenversicherte für unverzichtbar. Die SPD sei aber bereit, eine "praktikable Lösung" zu prüfen. Die sollen jetzt erst mal Experten finden. Die Krise ist damit aber nur vertagt, nicht überwunden.

(tso/ddp/ Arne Delfs und Nikolaus Sedelmeier)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false