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Gesundheitsreform: Kassenbeschäftigte gehen auf die Straße

Mehrere tausend Beschäftigte der Krankenkassen haben gegen die geplante Gesundheitsreform demonstriert. Allein in Berlin beteiligten sich 4000 Kassenangestellte an den Protesten.

Berlin/Hamburg - Zu einer Kundgebung in Hamburg erwartete die Gewerkschaft Verdi ebenfalls 4000 Teilnehmer. Grüne und Linkspartei unterstützten die Aktionen. Der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, warnte dagegen die Gewerkschaften davor, auf Konfliktkurs zu gehen. Die Bundesregierung wandte sich unterdessen erneut gegen die von den Kassen angekündigte Kampagne gegen die Reform. Das gesamte Kabinett beurteile das Verhalten der Kassenfunktionäre als "völlig unangemessen", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg.

Nach Angaben eines Verdi-Sprechers beteiligten sich deutlich mehr Kassenbeschäftigte an der Kundgebung in Berlin als erwartet. Sie trugen Schilder mit Aufschriften wie "Weg mit dem Bürokratie-Fonds" oder "Gerechtigkeit statt Kopfprämie" mit sich. Die Kritik konzentrierte sich auf den geplanten Gesundheitsfonds und die damit verbundene Änderung beim Einzug der Beiträge zur Sozialversicherung, der künftig nicht mehr bei den Kassen liegen soll. Verdi sieht dadurch 30.000 Stellen bedroht. Die Demonstrationen, die am Donnerstag in München, Bonn und Mainz fortgesetzt werden sollen, stehen unter dem Motto "Für ein soziales und gerechtes Gesundheitssystem".

Schmidt: "Keine Stellen bei den Kassen gefährdet"

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) betonte dagegen in der "Sächsischen Zeitung", dass durch den Gesundheitsfonds keine Stellen bei den Kassen gefährdet seien. "Wir wollen auf die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verzichten", sagte sie mit Blick auf die für den Beitragseinzug zuständigen Beschäftigten. "Sie sollen das weiter tun, nur nicht mehr für jede einzelne Kasse extra, sondern kassenübergreifend für den Fonds." Zu den Protesten sagte die Ministerin, dies gehöre zu den demokratischen Rechten. Sie habe aber kein Verständnis für Organisationen, die ihre Mitarbeiter unnötig verunsicherten.

Schmoldt sagte dem "Handelsblatt": "Demonstrationen und Protestkundgebungen sind der falsche Weg." Nötig sei vielmehr eine Versachlichung der Debatte. Den Konflikt auf die Straße zu tragen, senke nur die Gesprächsbereitschaft der Politik.

Grüne: Gesundheitsreform ist "zusammengeschusterter Pfusch"

Die Grünen unterstützten dagegen die Kundgebungen. Die Proteste seien notwendig, "damit auch die große Koalition begreift: hier muss dringend nachgebessert werden", erklärte Parteichef Reinhard Bütikofer. Die Gesundheitsreform sei "ein zusammengeschusterter Pfusch, der keine Problem löst, sondern nur neue schafft". Die Linksfraktion kritisierte den Gesundheitsfonds als "bürokratisches Monster", das mehr Kosten verursache und gleichzeitig zehntausende von Arbeitsplätzen in Gefahr bringe.

Die Krankenkassen bekräftigten unterdessen das Festhalten an einer breit angelegten Kampagne gegen die Reform. Der Chef des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen, Wolfgang Schmeinck, sagte dem "Stern", die 72 Millionen Krankenversicherten hätten ein Recht auf klare Information. DAK-Chef Herbert Rebscher sagte dem Magazin: "Einen sachverstandsfreien politischen Kompromiss kann man nicht durch Diskussionsverbote retten."

Kassen fühlen sich übergangen

Auch der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Hans Jürgen Ahrens, bekräftigte, die Kassen würden weiter ihre Kritik ausdrücken. Bei der Vorbereitung der Reform habe die Politik auf den Sachverstand der Kassen verzichtet, kritisierte er in der "Saarbrücker Zeitung". "Da darf man sich nicht wundern, wenn wir jetzt öffentlich Position beziehen."

Vize-Regierungssprecher Steg sprach von einer "völlig unangemessenen Reaktion" der Kassenfunktionäre. Offensichtlich scheuten einige Funktionäre Offenheit und Transparenz wie "der Teufel das Weihwasser", sagte Steg. Es sei nicht hinnehmbar, den Eindruck zu erwecken, als sei eine Reform zu Lasten der Patienten und Versicherten und vor allem der chronisch Kranken geplant. (tso/ddp)

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