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Schmerzhafte Spritze? Die Gewerkschaften und die SPD jedenfalls halten nichts von der Gesundheitsreform, die die schwarz-gelbe Koalition den Bürgern verschreiben will.

© dpa

Gesundheitsreform: Rechnen mit Rösler

Während die Regierungskoalition ihre Pläne für eine Gesundheitsreform noch nicht offen legen möchte, wartet der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schon einmal mit konkreten Zahlen zur "Kopfpauschale" auf.

Berlin - Konkurrenz belebt das Geschäft. Das gilt auch für Gesundheitskommissionen. So ist es wohl kein Zufall, dass das Gegengremium des Gewerkschaftsbundes zu seiner nächsten Sitzung am selben Tag zusammentritt wie die offizielle Regierungskommission zur Gesundheitsreform. Und während die acht Bundesministerien bei ihrem zweiten Treffen am Mittwoch ihre Staatssekretäre eher unspektakulär über technischen und organisatorischen Fragen brüten lassen wollen, wird die DGB-Kommission schon mal mit konkreten Zahlen aufwarten. Sie hat in verschiedenen Szenarien zweierlei berechnen lassen. Erstens, wie eine von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ins Spiel gebrachte und inzwischen favorisierte „kleine Kopfpauschale“ die Versicherten in den nächsten 20 Jahren belasten würde. Und zweitens, was das von der CSU erwünschte Einfrieren des Arbeitgeberzuschusses ohne einkommensunabhängige Pauschale für die Arbeitnehmer zur Folge hätte.

Ausgangspunkt für die Szenarien ist ein Vorschlag, den Koalitionskreise Mitte März als Röslers mögliches Startmodell lanciert hatten. Demnach könnte die Pauschale für alle monatlich 29 Euro betragen – zusätzlich zu den einkommensabhängigen Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die auf derzeitigem Stand, also bei jeweils sieben Prozent, eingefroren würden. Im Gegenzug bliebe den Arbeitnehmern dann allerdings der bisherige Sonderbeitrag von 0,9 Prozent erspart. Rösler hatte dieses Szenario damals nicht kommentieren wollen, aber auch nicht dementieren lassen.

Nach augenblicklichem Stand wäre eine solche Startpauschale großzügig, die Krankenkassen könnten sich erst einmal über deutliche Mehreinnahmen freuen. Nach der Berechnung des Instituts für Gesundheitsökonomie am Kölner Uniklinikum lägen diese im Jahr 2011 noch bei rund acht Milliarden Euro. Insofern könnte die Prämie zunächst auch geringer ausfallen, den Ökonomen zufolge würde im kommenden Jahr beispielsweise eine Pauschale von etwas mehr als 16 Euro genügen. Genauso gut könnte man bei den 29 Euro bleiben und den Steuerzuschuss senken. Fünf Jahre später allerdings würden, bei gleichbleibendem Staatszuschuss von 14 Milliarden, den Kassen bereits die 29 Euro nicht mehr reichen. 2020 müsste die Kopfpauschale für die gesetzlich Krankenversicherten bereits knappe 44 Euro und im Jahr 2030 dann schon 86 Euro und 13 Cent betragen.

Vorsichtige Schätzung

Zugrunde gelegt ist dieser Hochrechnung die Annahme, dass die Löhne der Beschäftigen gleich bleiben und die Leistungsausgaben der Kassen sich jährlich um ein Prozent erhöhen. Dies sei eine eher vorsichtige Schätzung, betont Institutsdirektor Karl Lauterbach in seiner derzeitigen Eigenschaft als gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Dennoch würde die Überforderung von Geringverdienern sehr früh einsetzen. Bei einem Durchschnittsrentner würde eine Pauschale von 45 Euro schließlich fünf Prozent der Einkünfte ausmachen, so Lauterbach. Und damit wäre bereits in zehn Jahren zu rechnen.

Absolut gesehen macht eine Pauschale natürlich, auch darauf machen die Szenarien aufmerksam, für die Bezieher kleiner Einkommen einen größeren Anteil aus als für Besserverdienende. In der Einkommensklasse von 1000 Euro entspreche eine Prämie von 29 Euro beispielsweise bereits einer Beitragssatzerhöhung um zwei Punkte. Das wären dann 16,9 Prozent. Bei einem Einkommen von 3500 Euro dagegen würde diese Pauschale den aktuellen Beitragssatz verringern, er sänke um 0,1 Punkte auf umgerechnet 14,8 Prozent. Profitieren würden von der Umstellung demnach alle Bürger, die monatlich auf etwas mehr als 3000 Euro kommen. Die anderen würden draufzahlen oder wären auf einen entsprechenden Sozialausgleich angewiesen.

Allerdings verweisen die Expertisen darauf, dass ein eingefrorener Arbeitgeberbeitrag die Bürger auch ohne Kopfpauschale teuer zu stehen käme. Die Arbeitnehmer müssten dann sämtliche Ausgabensteigerungen allein tragen und kämen schon in zwei Jahren, den Sonderbeitrag von 0,9 Prozent eingerechnet, auf einen Beitragsanteil von mehr als acht Prozent. Im Jahr 2020 läge er bei 9,59 und 2030 bei 12,19 Prozent. Da frage sich dann schon, was besser sei, sagt Lauterbach – ein derart hoher Arbeitnehmerbeitrag oder eine Pauschalprämie von mehr als 80 Euro. Seine Alternative und die des DGB lautet bekanntlich anders: eine Bürgerversicherung unter Einbeziehung aller Einkommen und auch der privat Versicherten.

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