zum Hauptinhalt
Ärzteprotest: Ärzte zeigen am in Essen vor der Grugahalle Protestplakate.

© dpa

Gesundheitsreform: Trotz Rekordhonorar protestieren Ärzte gegen die Sparpläne

Spitzenhonorar und doch erbitterter Protest - die Hausärzte kämpfen um mehr Geld. Dabei haben die niedergelassenen Mediziner insgesamt in der Wirtschaftskrise ein sattes Honorarplus eingefahren. Die Sparpläne von Minister Rösler lassen zudem ein Schlupfloch.

Tausende Hausärzte haben gegen Sparpläne von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) protestiert - obwohl ihr von den Beitragszahlern finanziertes Honorar gestiegen ist. „Es ist Krieg gegen die Hausärzte“, sagte der rheinische Chef des Hausärzteverbands, Dirk Mecking, am Mittwoch bei einer Protestkundgebung in Essen. Zugleich wurde bekannt, dass das Honorar der rund 150.000 niedergelassenen Ärzte im vergangenen Jahr auf 30,8 Milliarden Euro stieg: ein Plus von 11 Prozent gegenüber 2007. Auch das Honorar der Hausärzte war zuletzt gestiegen. Die Allgemeinmediziner wenden sich dagegen, dass die Koalition ihnen kein höheres Honorarplus als den anderen Ärzten mehr zugestehen will. Die Einnahmensteigerung der Praxisärzte insgesamt geht aus einer Erhebung des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenversicherung hervor. Den größten Zuwachs gegenüber 2007 erzielten die Ärzte demnach in Hamburg mit einem Plus von 24,1 Prozent und Thüringen.

Tausende Allgemeinärzte gaben sich aber wütend. Viele Patienten standen vor verschlossener Tür. Jede vierte Hausarztpraxis sei geschlossen, sagte der Sprecher des Hausärzteverbandes, Stefan Lummer. In Essen kamen 1.000 Ärzte, Angestellte und Patienten zusammen. Bei einer zentralen Kundgebung in Sindelfingen wurden 3.000 Teilnehmer erwartet. Mehr als die Hälfte der rund 4.000 hessischen Allgemeinmediziner schlossen laut Verbandsangaben ebenfalls ihre Praxen, dazu rund 800 in Hamburg. Die Notfälle würden aber natürlich weiter behandelt.

Der hessische Verbandschef Dieter Conrad warnte, in fünf Jahren werde Unterversorgung zur Regel. Mecking sagte "dpa": „Die Politiker werden erst wach, wenn der Hausarzt vor Ort weg ist.“ Die Ärzte wollten in einem Autocorso unter dem Motto „Exodus deutscher Hausärzte“ in die Niederlande fahren, wo die Bedingungen besser seien. Aktionen gab es auch in Hannover und in Dillingen im Saarland.

Die Krankenkassen mahnten, die Ärzte verspielten ihren noch guten Ruf. „Die Hausärzte verdienten im Jahr 2009 im Durchschnitt 8.300 Euro brutto im Monat zuzüglich Privateinnahmen, das ist ein Einkommen, mit dem man sehr gut leben kann“, sagte der Chef des Verbands der Ersatzkassen, Thomas Ballast der "Deutschen Nachrichtenagentur". Der Vizechef des Kassen- Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, sagte: „Die Ausgaben für Arzthonorare steigen seit Jahren von Rekordniveau zu Rekordniveau, und auch für 2011 soll es nach dem Willen der Politik und der Ärzte schon wieder mehr geben.“ Finanzieren sollten dies die Beitragszahler. Am 24. September verhandeln Kassen und Ärzte über Zuwächse für 2011. Die Frauenärzte warnten vor Einschnitten in ihrem Bereich durch mehr Geld für Hausärzte.

Bei neuen Hausarztverträgen will die Koalition kein höheres Honorarplus mehr zugestehen als bei anderen Ärzten. Versicherte sollen sich durch solche Verträge freiwillig besser versorgen lassen können, wenn sie immer zuerst zum Allgemeinmediziner gehen. Die Hausärzte werten mehr Geld als Ausgleich langer Benachteiligung.

Das Ärzte-Honorar steigt auf 30,7 Milliarden Euro an. Während der größten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik ist das Honorar der rund 150.000niedergelassenen Ärzte im vergangenen Jahr auf 30,8 Milliarden Euro gestiegen. Im Vorjahr hatten die Mediziner noch rund 1,8 Milliarden Euro weniger verdient.
Das Ärzte-Honorar steigt auf 30,7 Milliarden Euro an. Während der größten Wirtschaftskrise der Bundesrepublik ist das Honorar der rund 150.000niedergelassenen Ärzte im vergangenen Jahr auf 30,8 Milliarden Euro gestiegen. Im Vorjahr hatten die Mediziner noch rund 1,8 Milliarden Euro weniger verdient.

© Archiv

Zuletzt nahmen 20.000 der rund 45.000 Hausärzte mit Kassenpatienten an diesen Modellen teil - sowie 3,9 Millionen Versicherte. Nach den jüngsten Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für 2008 erzielten die Hausärzte im Schnitt ein Honorar von rund 185.000 Euro im Jahr. Von dem Geld mussten noch Praxisausgaben, Steuern und Sozialausgaben bezahlt werden. Im ersten Halbjahr 2009 legte das Honorar aus dem allgemeinen Ärztetopf im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,5 Prozent zu. Das Geld aus den Hausarztverträgen eingerechnet ergaben sich über 10 Prozent.

Die Koalition plant aber ein Schlupfloch: Hausarztverträge sollen weiter mehr Verdienst bringen können, wenn im Gegenzug Geld bei Arzneiverordnungen gespart wird. Die FDP-Expertin Ulrike Flach sagte: „Es ist nicht zu viel verlangt, dass derjenige, der mehr Geld will, auch bessere Qualität nachweist.“ Die Ärzte sollten durch überzogene Forderungen nicht ihr Ansehen verspielen. Rösler kritisierte in der „Rheinischen Post“: „Den Protest auf dem Rücken von Patienten auszutragen, halte ich einfach für unfair“. Keinem Hausarzt solle etwas weggenommen werden. „Sondern wir wollen - wie bei anderen Akteuren im Gesundheitswesen - künftige Ausgabenzuwächse zeitweilig begrenzen.“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false