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Gesundheitsreform: Vor leeren Stühlen

Trotz des Boykotts zahlreicher Fachverbände hat die Anhörung des Bundesgesundheitsministeriums zur geplanten Gesundheitsreform im Weltsaal stattgefunden.

Berlin - Im Weltsaal des Auswärtigen Amtes, illuminiert von riesigen Kristallleuchtern, begeben sich normalerweise Regierungschefs aufs diplomatische Parkett. Zu DDR-Zeiten tagte hier das Zentralkomitee der SED. Ausgerechnet hier sollte die groß angelegte Anhörung von über 90 Verbänden zur geplanten Gesundheitsreform stattfinden. Die Debatte über Fondsmodell und Vorsorge hatte bloß einen Schönheitsfehler: Nur wenige Gesundheitsexperten verloren sich in dem riesigen Saal.

Etwas ungläubig standen mehrere Vertreter des Ressorts von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) neben einer riesigen stilisierten Weltkarte und blickten auf die verwaisten Reihen. Von 240 Stühlen waren zum Auftakt lediglich rund 30 besetzt. "So wenig habe ich noch nie erlebt", sagte einer. Dabei hatte man sich extra für den großzügigen Prunksaal entschieden, weil im eigenen Haus zu wenig Platz ist.

Boykott wegen mangelnder Vorbereitungszeit

Doch maßgebliche Verbände, von der Gesundheitsreform ohnehin enttäuscht, boykottierten die Anhörung unter Verweis auf eine mangelnde Vorbereitungszeit. Schließlich sei der Gesetzentwurf erst am Donnerstag vorgelegt worden. Mancher Verband der Kassen, Ärzte und Kliniken sieht in der Veranstaltung nunmehr eine "Farce", bei der es nichts zu bewirken gibt.

"Wer etwas zu sagen hat, wird kommen", stichelte Franz Knieps, Abteilungsleiter im Ministerium. Trotz des schon am Freitag ausgesprochenen Boykotts wichtiger Verbände hatte das Ressort bis zuletzt eine rege Teilnahme erwartet.

Mitreden ist besser als Schweigen

Einer, der kam, war Gert Nachtigal, Experte für soziale Sicherung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Auch er war verärgert. "Aber nur zu schweigen, das geht auch nicht", begründete er seine Teilnahme. "Wenn man eingeladen ist, dann sagt man auch etwas dazu." Er sei ja ein höflicher Mensch.

Pflichtbewusstsein demonstrierte auch Thomas Isenberg vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Es gehöre sich, dass man zu einer Anhörung auch hingehe und mitdiskutiere, sagte er. Dann ließ auch er sich im Weltsaal nieder, wo schon die letzte DDR-Volkskammer dem Einigungsvertrag zustimmte. (Von Jan Staiger, ddp)

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