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Pflegekräfte

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Gesundheitssystem: In der Pflegefalle

Ministerin und Verbände drängen auf mehr Personal in Kliniken. Die Präsidentin des Deutschen Pflegerates stuft die Versorgungs-Situation der Patienten als "gefährlich" ein - doch die Krankenkassen sträuben sich gegen ein Einstellungsprogramm.

Berlin - In der Diagnose sind sich die Akteure einig. Schwierige Personalsituation, Arbeitsverdichtung, gestiegene Belastung durch medizinische Entwicklungen, aber auch durch immer mehr altersverwirrte und mehrfach kranke Patienten: Mit der Pflegesituation in deutschen Krankenhäusern steht es nicht zum besten. Aber wann und in welcher Form deren Malaise behandelt wird, bleibt offen – und wird nun erst einmal in drei Arbeitsgruppen erörtert.

Verbesserungen seien „dringend notwendig“, befanden die Teilnehmer eines ersten, sogenannten Pflegegipfels am Mittwoch im Gesundheitsministerium gleichwohl. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre bereiteten ihr Sorgen, sagte Ministerin Ulla Schmidt (SPD). Das Pflegepersonal sei stark ausgedünnt, viele der verbliebenen Kräfte fühlten sich „wie im Hamsterrad“. Und die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Marie-Luise Müller, klagte unwidersprochen, dass die Versorgung der Patienten inzwischen „nicht nur schwerlich, sondern auch gefährlich“ geworden sei. 50 000 Vollzeitpflegestellen seien in den vergangenen zehn Jahren in den Kliniken abgebaut worden. Statt für sechs Patienten sei eine Pflegekraft nun für zwölf zuständig – und das bei einer enorm gestiegenen Versorgungsintensität. Keiner müsse sich vormachen, dass diese Entwicklung nicht auf Kosten der Qualität gehe.

Weil das auch die Regierung so sieht, hat sie den Krankenhäusern eine Finanzspritze versprochen: 700 Millionen Euro für 21 000 zusätzliche Pflegestellen über einen Zeitraum von drei Jahren. Allerdings ist die Zusage mit der Bedingung gekoppelt, dass sich auch die Bundesländer stärker für die teilweise marode gewordenen Häuser und ihre Ausstattung engagieren. Dazu treffen sich am Freitag in Berlin nochmals die Staatssekretäre der Länder. Und in der Hoffnung auf eine Einigung beschlossen die Gipfelteilnehmer schon einmal eine Arbeitsgruppe, die sich Gedanken über die sinnvolle und unbürokratische Verteilung des Geldes Gedanken machen soll. In zwei Wochen wolle sie dem Kabinett schließlich ihr Klinikhilfsprogramm vorlegen, drängte Schmidt.

Die beiden anderen Arbeitsgruppen haben mehr Zeit. Sie sollen bis zum nächsten Gipfel im März 2009 darüber nachdenken, wie sich das Pflegepersonal am effektivsten einsetzen lässt, welche Qualitätskriterien man zugrunde legt, wie sich die Attraktivität des Berufs verbessern lässt, und was sich an der Ausbildung ändern muss. Bei der Qualifizierung der Pflegekräfte bilde Deutschland inzwischen im europäischen Vergleich „mit das Schlusslicht“, sagt Pflegerats-Präsidentin Müller. Außerdem müssten Pflegende und Ärzte endlich enger zusammenarbeiten.

Der Vertreter der Klinikmediziner, mit deren Dominanz qualifizierte Pflegekräfte im Krankenhausalltag oft ihre Probleme haben, gab sich wohlwollend. „Weil einer studiert hat, ist er nicht wertvoller“, betonte der Chef des Marburger Bundes, Rudolf Henke. Zugleich versicherte er, dass man die Sorgen der Pflegekräfte ernst nehme und auch das Programm für zusätzliche Kräfte begrüße.

Skeptischer geben sich die Kliniken. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ärgert sich darüber, dass den Häusern über das Hilfsprogramm nur die Hälfte der anfallenden Zusatzkosten erstattet wird. Und die Krankenkassen halten gleich gar nichts von der Finanzspritze – schließlich, so die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, müssten ihre 70 Millionen Versicherten vor übermäßiger Belastung geschützt bleiben. Der beklagte Abbau von 50 000 Pflegestellen in den Kliniken spiegele nur eine veränderte Versorgungssituation, sagte die Kassenfunktionärin . Im Gegenzug seien in Pflegeheimen und ambulanter Versorgung 30 000 neue Stellen entstanden. „Es wäre falsch, jetzt ein Einstellungsprogramm zu initiieren, das Pflegekräfte vermehrt dort einstellt, wo die Pflege zunehmend weniger stattfindet.“

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