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Politik: Gewalt im Namen des Islam - Warum das Sulu-Archipel als Hochburg radikaler Rebellen gilt

Seit fast einem Jahrzehnt kämpft die Terrorgruppe Abu Sayyaf für einen islamischen Staat auf den Inseln der südlichen Philippinen, auf Mindanao und dem Sulu-Archipel. Die Palette der Gewalt reicht von Erpressungen und Entführungen bis zu Bombenanschlägen und Mord.

Seit fast einem Jahrzehnt kämpft die Terrorgruppe Abu Sayyaf für einen islamischen Staat auf den Inseln der südlichen Philippinen, auf Mindanao und dem Sulu-Archipel. Die Palette der Gewalt reicht von Erpressungen und Entführungen bis zu Bombenanschlägen und Mord. Die radikale Truppe soll 200 bis tausend junge Kämpfer zählen. Ein Teil von ihnen wurde angeblich in Libyen für den Guerillakrieg ausgebildet. Abu Sayyaf - übersetzt das Schwert Gottes - ist für Brutalität und bizarre Manöver berüchtigt. Die Organisation wurde 1991 gegründet, als sie sich von der ebenfalls moslemisch orientierten, aber gemäßigteren Moro-Befreiungsfront MNLF abspaltete. Eine ihrer wichtigsten Stützpunkte sind die Mindanao vorgelagerten Inseln Basilan und Jolo. Um ihren Kampf zu finanzieren, hat Abu Sayyaf wiederholt reiche Geschäftsleute gekidnappt und sie erst gegen hohe Lösegeldzahlungen freigelassen. Eine der ersten größeren Aktionen von Abu Sayyaf war 1993 ein Bombenanschlag auf die Kathedrale der Stadt Davao im Osten von Mindanao. Im April 1995 überfielen Abu-Sayyaf-Terroristen die vor allem von Christen bewohnte Stadt Ipil auf der Insel und töteten 52 Menschen.

Die Philippinen haben den Ruf, Hochburg der Geiselnehmer in Asien zu sein. Einmal pro Tag schlagen Entführer im Staat der 7000 Inseln durchschnittlich zu. Meist trifft es den Süden. Auf den Sulu-Inseln bilden wirtschaftliche Rückständigkeit, religiöse Konflikte, politische Gewalt und Gesetzlosigkeit einen gefährlichen Nährboden für terroristische Aktivitäten. Terrorgruppen haben in dieser Region zudem ein leichtes Spiel. Die Inseln der Sulu-See gehören zu den drei Ländern Malaysia, Indonesien und den Philippinen. Schwer erreichbar und Tausende Kilometer entfernt von den Hauptstädten greift deren staatliche Autorität jedoch kaum. Problemlos können Entführer grenzüberschreitend agieren.

Die ärmste Provinz

Die Sulu-Inseln wurden bereits im 14. Jahrhundert muslimisch. Sie konnten weder von den spanischen noch von den amerikanischen Kolonialmächten wirksam kontrolliert werden. Auch die spätere philippinische Regierung hatte stets gegen islamische Separatisten zu kämpfen. Das einst reiche und mächtige Sultanat Jolo ist heute die ärmste Provinz der Philippinen, deren muslimische Bewohner sich von der katholischen Regierung in Manila unterdrückt fühlen. Auf Grund von verletztem Nationalstolz, Armut und religiöser Entfremdung in den mehrheitlich katholischen Philippinen - von den 69 Millionen Einwohnern sind rund 3,5 Millionen Muslime - können die Entführer der Touristen sogar mit Sympathien in der Bevölkerung rechnen.

Problematisch ist zudem, dass die Vertreter der Zentralregierung in der Region enge Beziehungen zu den Terroristen unterhalten und über Geiseldramen zum Teil private Feindschaften und Interessenkonflikte ausgetragen werden. So war der derzeitige Gouverneur von Jolo, Wahab Akbar, einst selbst Mitglied der Rebellen. Nach einem Studium des Islam in Syrien betätigte Wahab sich Anfang der neunziger Jahre dann als geistlicher Berater von Abu Sayyaf. Später zerstritt er sich allerdings mit der Führung von Abu Sayyaf, und seine Soldaten führen nun auch einen privat motivierten Kampf gegen die Entführer. Abu Sayyaf-Anhänger brüsten sich damit, dass ihre Organisation von Osma bin Laden finanziert wird, der sich in Afghanistan aufhalten soll und nach amerikanischer Einschätzung Kopf eines weltweiten Terroristen-Netzwerkes ist.

Vor diesem Hintergrund lassen sich auch bekannt gewordene Forderungen der Kidnapper einordnen: Sie verlangen die Freilassung arabischer Terroristen in den USA und demonstrieren damit den weltweiten Anspruch ihrer Ideologie.

Michael Streck

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