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Ägypter protestieren in der Nähe des Innenministeriums in Kairo. Jüngster Auslöser für Unruhen waren die Ausschreitungen nach einem Fußballspiel mit 74 Toten.

© rtr

Gewalt in Ägypten: "Wir dürfen uns nicht von unseren Zielen abbringen lassen"

Die ägyptische Politikwissenschaftlerin Manar Shorbagy sprach mit dem Tagesspiegel über die Folgen der Krawalle von Port Said sowie die Rolle von Militärrat und radikalen Ultras für die Stabilität Ägyptens.

Nach den Unruhen im Stadion von Port Said gaben die Kurse an den ägyptischen Börsen deutlich nach. Wie wichtig ist Stabilität für die ägyptische Wirtschaft und einen demokratischen Übergang?

Die Vorfälle waren furchtbar. Aber wir dürfen uns dadurch nicht von unseren Zielen abbringen lassen. Regierungen versuchen immer, Stabilität und Freiheit gegeneinander auszuspielen. Aber wir brauchen beides. Mich macht diese Debatte verrückt. Es ist genau das, was Mubarak uns über Jahrzehnte hat glauben lassen. Trotz allem – es gibt erste Anzeichen, dass die Wirtschaft sich erholt. Unsere Exportrate beispielsweise liegt inzwischen über dem Niveau vor der Revolution.

Welche Verantwortung hat der Militärrat? Immerhin war er angetreten mit dem Versprechen, Recht und Ordnung in der Übergangsphase aufrecht zu erhalten.

Sollte das der Plan gewesen sein, ist er gescheitert. Seit Mubaraks Sturz haben die Generäle einen Fehler nach dem anderen gemacht. Sie haben es nicht einmal geschafft, die Sympathie zu bewahren, die ihnen von den Demonstranten anfangs entgegen gebracht wurde. Stattdessen haben sie den Prozess der Machtübergabe verschleppt, aber auch nicht für Stabilität gesorgt. Wir brauchen jetzt sehr schnell eine zivile Regierung. Die Kandidatenlisten für das Präsidentenamt müssten schon im März ausgelegt werden, dann könnten wir Ende Mai einen neuen Präsidenten wählen.

Der bisherige Zeitplan sieht für die Machtübergabe Ende Juni vor. Glauben Sie, dass sich der Militärrat daran halten wird?

Das können wir nur hoffen. Ich denke, dass es für alle Seiten besser ist, wenn der Rat früher zurücktritt. Auch für das Militär selbst. Wichtig ist ein geordneter Übergang. Niemand will, dass die Militärregierung von heute auf morgen verschwindet. Wir wollen lediglich die Präsidentschaftswahlen einen Monat vorziehen. Ein sofortiges Ende der Militärherrschaft fordert nur eine kleine Minderheit von Radikalen.

Zu diesen Radikalen zählen auch die so genannten „Ultras“, Fußball-Hooligans, die mit ihren militanten Aktionen gegen Militär und Polizei eine wichtige Rolle in der Revolution spielten. Welche Folgen hätte es, wenn sie sich mit ihren Forderungen durchsetzen?

Der Militärrat wird niemals von heute auf morgen abtreten. Es wäre auch nicht gut. Denn es würde bedeuten, dass wir einen zunächst Präsidenten bekämen, der ernannt wird und nicht gewählt. Das wäre völlig unakzeptabel. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass wir bisher alle Veränderungen dem Druck der Straße verdanken.

Druck könnte auch das neu gewählte Parlament ausüben. Welche Reaktion erwarten sie von den Muslimbrüdern, der größten Fraktion?

Bisher hat die Muslimbruderschaft nichts unternommen. Egal, ob es ein Arrangement zwischen ihnen und dem Militärrat gibt oder nicht – für mich ist klar, dass sie nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Sie wollen um jeden Preis regieren. Dafür wenden sie sich sogar gegen die Demonstranten. Es gibt aber auch andere Kräfte im Parlament. Meine Hoffnungen liegen auf den Liberalen, Linken und den unabhängigen Kandidaten.

Politik-Professorin Manar Shorbagy.
Politik-Professorin Manar Shorbagy.

© Sidney Gennies

Zur Person: Manar Shorbagy, (48) ist ägyptische Politikwissenschaftlerin und lehrt an der Amerikanischen Universität in Kairo. Bei der 18-tägigen Revolution gegen Hosni Mubarak war sie von Anfang an aktiv dabei.

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