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Polizisten in Ansbach.

© AFP

Gewalt in Deutschland: Besonnen gegen Angst und Hetze angehen

Würzburg, München, Reutlingen, Ansbach: Es gilt zu trennen, nicht einfach Dinge zusammenzuwerfen. Es ist nicht die Stunde von Hysterie und Hektik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Hört das nicht mehr auf? Würzburg, München, Reutlingen und nun auch noch Ansbach. Ein unerträglicher Takt der Gewalt erschüttert Deutschland. Jeden Tag schleicht sich die Angst mehr in unser Leben und wächst wie ein bösartiger Tumor. Nach dem Blutbad in München und dem Axt-Angriff eines Asylbewerbers im Namen des IS nun das erste Selbstmordattentat in Deutschland? Das legt zumindest ein gefundenes Bekennervideo nahe.

Egal, welches Motiv sie antrieb, im Entsetzen vermischen sich die Taten unheilvoll. Sie bestimmen Alltag und Gespräche und lassen bange Gedanken aufkommen. Viele Menschen fühlen sich ohnmächtig angesichts der Abscheulichkeiten. Und versuchen, sich einer umfassend wirkenden Bedrohung mit scheinbar schlüssigen Erklärungsmustern zu erwehren.

Aus der Hilflosigkeit des Einzelnen darf aber keine Spirale der Angst werden. Sie würde das Land nachhaltig verändern. In diesem Moment einer rasenden Emotionalisierung ist es nötig, die verunsicherte Nation zu beruhigen. Gelingen wird das in keinem Fall mit dem schnellen Rückgriff von Politikern auf abgehalfterte Forderungen.

Wer lässt sich schon noch beruhigen mit der Forderung nach schärferen Waffengesetzen, dem Verbot von Ego-Shooter-Spielen oder dem Vorstoß für den Einsatz der Bundeswehr bei Terrorattacken. Das alles hilft nicht gegen die größte Gefahr dieser Tage: eine drohende Spaltung der Gesellschaft und das schwindende Sicherheitsempfinden.

Gegen die Angst, gegen Hysterie, gegen deformierte Nachrichten und falsche Anschuldigungen

Hetzerische Sprüche der AfD schlugen nach dem Münchner Amoklauf noch auf die Urheber zurück, weil es sich beim Täter „nur“ um einen psychisch kranken Jugendlichen handelte. Nach der Explosion in Ansbach aber wird die Hetze von Populisten gegen Ausländer und Flüchtlinge erfolgreich in die Zweitverwertung gehen – und kann auch verfangen.

Zur Glaubwürdigkeit trägt bei, ehrlich zu sein, nicht abzutun, dass drei der vier Taten von Flüchtlingen verübt wurden. Nur dann kann Politik dagegenhalten, wenn Stimmung gegen alle Asylsuchenden gemacht wird. Die voreilig bösartigen Spekulationen der Rechtspopulisten zum Täter von München werden auch durch Taten von Ansbach und Reutlingen nicht richtiger. Jetzt ist es Aufgabe der demokratischen Öffentlichkeit, ruhige Entschlossenheit zu zeigen – gegen die Angst, gegen Hysterie, gegen deformierte Nachrichten und falsche Anschuldigungen.

Münchner Mordtat ist anders gelagert als der Würzburger Axt-Angriff

Mit Härte allein ist der Kampf um die Köpfe nicht zu gewinnen. Professionelle Einsatzkonzepte der Polizei und eine sensible Aufmerksamkeit für psychisch labile oder sich radikalisierende Menschen sind wichtig, ob Flüchtlinge oder Deutsche. Auch verlässlich arbeitende Sicherheitsbehörden helfen gegen die Verunsicherung. Daneben aber sind Empathie und offen gezeigte Emotion, sprich Betroffenheit, der verantwortlichen Politiker unverzichtbar. Sie zeigt trauernden Angehörigen und traumatisierten Opfern von Attacken die Solidarität der Deutschen, und sie signalisiert, dass die Ängste der Menschen ernst genommen werden.

Wachsam und besonnen zu bleiben, darum geht es dieser Tage, da hat Innenminister de Maizière recht. Das heißt vor allem, zu trennen, was verschieden ist und nicht zusammengehören darf. Die Münchner Mordtat ist völlig anders gelagert als der Würzburger Axt-Angriff; die Messerattacke von Reutlingen hat nichts gemein mit dem Bombenanschlag des Flüchtlings in Ansbach. Wer Dinge zusammenwirft, die nicht zusammengehören, trägt zu kopflosem Aktionismus bei. Der kann demokratischer Verfasstheit die Luft abschnüren.

Die Polizei in München hat neben ihrem hervorragenden Einsatz mit ihren Nachrichten vorbildlich gezeigt, wie man mündige Bürger ernst nimmt und ruhig und sachlich informiert. Das ist nicht die Stunde der Hektik, sondern der Besinnung auf die Kräfte des Zusammenhalts unserer Demokratie. Damit das Land nicht kopflos wird.

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