zum Hauptinhalt
Wütende Proteste. Demonstranten kesselten in Kairo ein Fahrzeug der Sicherheitskräfte ein. Einige wurden in Brand gesetzt. Ausschreitungen gab es auch in anderen Städten des Landes.

© dpa

Gewalt: Revolte gegen Ägyptens Militärrat

Gut eine Woche vor Beginn der Parlamentswahlen eskaliert in Ägypten wieder die Gewalt. Am Wochenende gab es Tote und Verletzte bei Demonstrationen.

Die Szenen erinnerten an die ersten Tage der Revolution im Januar, die zum Sturz von Expräsident Hosni Mubarak führte. Eine wütende Menge liefert sich Straßenschlachten mit der Polizei auf dem Kairoer Tahrir-Platz und in den angrenzenden Seitenstraßen. Die Sicherheitskräfte prügeln mit ihren Schlagstöcken, setzen Tränengas und Gummigeschosse ein. Steine fliegen, und Polizeifahrzeuge gehen in Flammen auf. Es gibt Tote und bis zu 1000 Verletzte.

Nach Angaben von Ärzten kamen am Sonntag mindestens drei Menschen ums Leben. Sie seien bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei erstickt, sagte der Arzt Abdallah Abdelrahman, der ein Feldlazarett auf dem Tahrir-Platz im Zentrum der Hauptstadt leitet. Auch soll ein 23-jähriger Demonstrant einer Schussverletzung an der Brust erlegen sein. Im Netz rufen junge Aktivisten auf, sich den Protesten anzuschließen. Der aufgestaute Ärger über die zunehmende Repression der Militärjunta machte sich am Wochenende in einer Explosion Luft, die mehrere Städte Ägyptens erfasste. Auch in Alexandria soll es einen Toten gegeben haben.

Am Samstagmorgen hatte die Polizei ein Sit-in auf dem Tahrir-Platz von etwa 200 Angehörigen der Revolutionsopfer mit äußerster Brutalität aufgelöst. Das war der Zündfunke für die Unruhen, nachdem die Großdemonstration am Freitag friedlich zu Ende gegangen war. Warum gerade jetzt, wenige Tage vor dem Beginn der Wahlen am 28. November diese Polizeiprovokation erfolgte, fragten sich Aktivisten und Politiker. Die anschließenden Demonstrationen waren spontan und unkoordiniert. Keine der großen Parteien steckte dahinter. Die riefen im Gegenteil zu Ruhe und Zurückhaltung auf, wie etwa die Muslimbrüder. Sie verurteilten aber die Polizeiaktion ebenso scharf wie die Präsidentschaftsanwärter Mohammed al Baradei und Amr Moussa.

Treibende Kraft der Sitzblockade war die Facebook-Generation, die schon die Revolution in Gang gesetzt hatte. Proteste und Unruhen griffen auch auf andere Städte, allen voran Alexandria, Suez und Assuan, über. Die Menge bezeichnete die Einsatzkräfte als Rowdys und Diebe und verlangte den Rücktritt von Feldmarschall Hussein Tantawi, dem Chef des Militärrats. Er war bereits unter Expräsident Hosni Mubarak Verteidigungsminister gewesen. Die Demonstranten fordern ein Ende der Militärregierung und einen klaren Zeitplan für die Übergabe der Macht an eine zivile Regierung.

Der Weg dorthin sollte über ein gewähltes Parlament führen mit Wahlen, die in knapp zehn Tagen beginnen. Mit einer Liste von unabänderlichen Verfassungsprinzipien, in der Sondervollmachten für die Armee festgeschrieben sind, hatte der regierende Militärrat aber Zweifel geschürt, ob er tatsächlich bereit ist, sich zurückzuziehen. Er hat auch den Ausnahmezustand nicht aufgehoben und tausende Zivilisten vor Militärgerichten abgeurteilt. Keines der Ziele der Revolution wie Menschenrechte, Freiheit und Würde sei erreicht, begründete im Fernsehen ein älterer Herr seine Teilnahme an den Protesten auf dem Tahrir-Platz.

Die Jugendkoalition des 25. Januar hat erste Zelte aufgestellt und angekündigt, den Tahrir-Platz wieder zu besetzen, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Am Sonntagmorgen hatten die Protestierenden den Tahrir-Platz wieder zurückerobert, die Eingänge mit Zäunen und Absperrungen gesichert. Ihre Parlamentskandidaten haben die Kampagne eingestellt. Andere junge Aspiranten auf einen Sitz in der Abgeordnetenkammer haben es ihnen gleichgetan. In Suez haben Demonstranten aus Protest Wahlplakate heruntergerissen. Die Anhänger der Jugendbewegung haben andere Ziele als die Islamisten, doch geeint sind sie in ihrer Ablehnung des Militärrates und vor allem Tantawis.

Die Regierung hat aber über das staatliche Fernsehen verlauten lassen, dass der Urnengang trotz der angespannten Sicherheitslage wie geplant am 28. November beginnen wird. Mohsen al Fangari, ein Mitglied des Militärrates, erklärte, dass die Sicherheit gewährleistet werden könne. Präsidentschaftsanwärter Baradei dagegen forderte eine Verschiebung der Wahlen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false