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Gewaltaktionen: Kenia, Tschad - und jetzt Kamerun

Kenia in Not: In Afrika droht ein weiterer Staat in Gewalt zu versinken. Bei Ausschreitungen sind in der ehemaligen deutschen Kolonie mindestens 17 Menschen getötet worden

„Schnell raus, bevor es hier knallt wie im Tschad oder Kenia“, sagt eine deutsche Entwicklungsexpertin, bevor sie in die Maschine nach Brüssel steigt. Alle westlichen Ausländer, die es können, verlassen Kamerun. Während in Kenia nach der Wahlfarce vom Dezember und ihren blutigen Nachwirkungen inzwischen eine angespannte Ruhe herrscht, sind im zentralafrikanischen Kamerun in der vergangenen Woche bei gewalttätigen Straßenschlachten mindestens 17 Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition spricht von mehr als 30 Toten.

Straßensperren aus Autowracks und Felsbrocken, brennende Reifen, machetenschwingende junge Männer - begonnen hatte das Ganze mit einem Streik der Transportunternehmer und Taxifahrer, zu dem die Gewerkschaften aufgerufen hatten. Als bei Demonstrationen in der Wirtschaftsmetropole Douala dann zwei Menschen von der Polizei erschossen wurden, kam es zu landesweiten Unruhen. Bis zum Wochenende war in Kamerun der Überlandverkehr auf den vier geteerten Verbindungsachsen lahmgelegt.

Präsident Paul Biya beschuldigt seine politischen Rivalen, hinter den Gewaltaktionen zu stecken. Biya regiert die einstige deutsche Kolonie seit 25 Jahren und denkt noch lange nicht an den Ruhestand. Wie so viele andere afrikanische Führer versucht er die Verfassung zu ändern, um sich im Jahre 2011, wenn er bereits 77 Jahre alt ist, eine mögliche weitere Amtszeit von sieben Jahren zu sichern. Er begründet die Änderung damit, dass ihn viele seiner Anhänger zum Bleiben drängen. Doch gerade sein Regime ist es, gegen das sich nun viele auflehnen.

Im Land herrscht ein Gemisch aus galoppierender Inflation, Armut, Korruption und Perspektivlosigkeit. Allein im letzten Jahr sind die Lebensmittelpreise um 30 Prozent gestiegen. Dabei könnte Kamerun durchaus gut dastehen: Das Land exportiert Erdöl, Bauxit, Eisen, Kaffee, Kakao – und Tropenholz. Christian Tumi, der Kardinal und Erzbischof von Douala und einer der schärfsten Kritiker von Biya, sagt, das Wirtschaftswachstum von fünf Prozent sei an den Menschen komplett vorbeigelaufen. Gleichwohl scheine sich das Volk an die Repression und jahrzehntelange Stagnation gewöhnt zu haben, so der 77-Jährige.

Die aktuellen Proteste richten sich auch gegen Internate, auf die zumeist die Kinder der schwarzen Elite gehen. Die zumeist jungen Demonstranten, von denen die wenigsten Aussicht auf einen Job haben, wollen offenbar auf die enorme Ungleichheit innerhalb der kamerunischen Gesellschaft hinweisen. In Nkongsamba, 100 Kilometer nördlich der Hafenstadt Douala, stürmten Aufständische das örtliche Gymnasium und wollten die Schüler zwingen, an den Protestaktionen teilzunehmen. Vermutlich sollten diese als menschlicher Schutzschild gegen die Polizei benutzt werden. Die rund 400 Aufrührer waren mit genagelten Keulen, Macheten und Molotow-Cocktails bewaffnet. Nachdem sie ein leeres Gebäude angezündet hatten, zogen sie ab.

Inzwischen hat die Regierung an allen strategischen Punkten Militär in Stellung gebracht. In den vergangenen Tagen herrschte eine trügerische Ruhe. Geschäfte hatten wieder geöffnet, der Verkehr in den Städten lief fast normal. Doch in den Krankenhäuser werden immer mehr Verletzte behandelt, so wurden allein im Hospital Laquintinie in Douala über hundert Verwundete der Ausschreitungen eingeliefert. Ausländer wurden bisher nicht verletzt. Die westlichen Botschaften sind dennoch auf Evakuierungen vorbereitet. In teilweise dramatischen Aktionen wurden alle Ausländer nach Douala und in die Hauptstadt Jaunde gebracht. Unter Schutz der kamerunischen Armee wurden sie binnen zwei Tagen zu ihren Botschaften eskortiert. Allein 700 Deutsche und 3000 Franzosen leben und arbeiten in Kamerun. Einige französische Firmen wie der Erdölriese „Total“ oder der Telekomanbieter „Orange“ haben ihre Mitarbeiter bereits ausgeflogen.

Am vergangenen Mittwoch schüttete Präsident Paul Biya zusätzliches Öl ins Feuer, als er in einer TV-Ansprache die Opposition beschuldigte, sie sei für die Gewalttätigkeiten verantwortlich. Der Führer der Sozialdemokratischen Partei John Fru Ndi sagte daraufhin, man müsse Verständnis haben für die Perspektivlosigkeit vieler Kameruner angesichts der hohen Lebenshaltungskosten. Die Menschen stünden mit dem Rücken zur Wand und hätten keine Alternative, als ihrem Unmut auf der Straße Luft zu machen. Zwei regierungskritische Radiostationen ließ Präsident Biya inzwischen schließen, ebenso einen privaten Fernsehsender.

In der Vergangenheit war es Biya stets gelungen, seine Widersacher mundtot zu machen. Viele ließen sich mit wichtigen Posten oder wohl auch durch Geld beschwichtigen. Hinzu kommt, dass die Opposition zersplittert ist und Biyas Wahlsiege durch ihre Grabenkämpfe erst möglich machte. Wegen der strategisch wichtigen Position von Kamerun in der ölreichen Region am Golf von Guinea wird Biya zudem vom Westen unterstützt. Nun jedoch könnten die Tage des Präsidenten gezählt sein. Für den heutigen Montag hat die Opposition zu neuen politischen Protestkundgebungen aufgerufen. Und als die junge deutsche Entwicklungshelferin ihre überfüllte Maschine stieg, da stand der präsidiale Privatjet vollgetankt auf dem Rollfeld.

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