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Politik: Gewerkschaften: Die Streikgefahr geht, das Imageproblem bleibt - Sinkende Mitgliederzahlen und Nachwuchsmangel

Der Streik im öffentlichen Dienst findet nicht statt. Die Bürger freut das, schließlich lehnen laut Umfragen die meisten von ihnen einen Arbeitskampf der Staatsbediensteten ab.

Der Streik im öffentlichen Dienst findet nicht statt. Die Bürger freut das, schließlich lehnen laut Umfragen die meisten von ihnen einen Arbeitskampf der Staatsbediensteten ab. Insofern bewahrte der Tarif-Kompromiss die ÖTV vor einem Verlust an öffentlicher Zustimmung. Fraglich ist jedoch, ob er sie vor einem weiteren Abbröckeln der Mitgliederzahlen bewahrt. Denn dieses Problem plagt seit Jahren, nicht nur die ÖTV, sondern auch fast alle anderen Gewerkschaften - eine Entwicklung, über die sich selbst die Arbeitgeberseite nicht freut.

Allein im letzten Jahr verringerte sich die Mitgliederzahl der ÖTV um rund 55 000 auf etwa 1 526 000. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund entschließen sich im Schnitt sogar 300 000 Gewerkschaftler zum Austritt. Aber so dramatisch wie sich die Zahlen ausnehmen, ist die Lage nach Einschätzung von DGB-Sprecher Bernhard Schulz nicht. Mitgliederprobleme wie einige Partnergewerkschaften im Ausland habe man noch nicht zu verzeichnen, erklärte Schulz. Für die drastisch sinkenden Zahlen sei viel mehr die Wiedervereinigung verantwortlich. Damals seien die Zahlen explodiert, weil "die Beschäftigten aus der DDR hinzugekommen sind".

Dies führe noch heute zu sinkenden Mitgliederzahlen. Die Gewerkschaften verlören zum einen viele Mitglieder durch Arbeitslosigkeit. Zum anderen aber sinke auch der traditionell hohe Organisationsgrad der Gewerkschaften im Osten nun langsam auf das alte Westniveau ab. ÖTV-Sprecherin Olga Leisinger bestätigt diese Einschätzung, beurteilt aber die Stellung ihrer Gewerkschaft in Ostdeutschland nicht zuletzt wegen des jüngsten Tarifkompromisses nach wie vor als stark. "Es waren gerade die Kollegen aus Ostdeutschland die in der großen Kommission das Verhandlungsergebnis positiv bewerteten", sagte Leisinger. Zwar sei die vollständige Angleichung der Ostgehälter noch nicht erreicht worden, aber dafür hätten sich bei den Arbeitszeiten neue Verhandlungsoptionen ergeben, die die Arbeitnehmerseite bislang abgelehnt hat.

Dennoch gab Leisinger zu, dass die ÖTV besonders bei der Rekrutierung neuer junger Mitglieder Probleme habe, nicht zuletzt, weil das öffentliche Bild der Gewerkschaft noch sehr traditionell sei. "Das Image umzukehren braucht seine Zeit", sagte Leisinger. Auch der DGB versucht derzeit mit einer 10 Millionen Mark teuren Image-Kampagne, junge Mitglieder durch Kinospots und eine verstärkte Internetpräsenz zum Eintritt zu veranlassen. Rund 20 Prozent der Summe verschlingt aber allein der Expoauftritt des DGB.

Der Mitgliederschwund gibt aber nicht nur den Gewerkschaften sondern auch den Arbeitgebern Anlass zur Sorge. "Die Arbeitnehmerverbände haben natürlich Interesse an einem starken Gesprächspartner, der sich auf gleicher Augenhöhe bewegt", sagt Stefan Küpper, stellvertretender Leiter der Abteilungfür Lohn und Tarife bei der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände. Denn ohne ein starkes Gegenüber werde sich auch die Tendenz der schwächeren Tarifbindung fortsetzen.

Oliver Küch

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