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Politik: Gewissen vor Gericht

Prozess um Kirchenasyl: Richter sieht Instrumentalisierung der Justiz

Von Claudia von Salzen

„Wir können doch gegen unser Gewissen niemanden vor die Tür setzen“, sagt der evangelische Pastor Philipp Meyer. Doch gerade weil seine Hildesheimer Gemeinde einer kurdischen Familie Kirchenasyl gewährt, mussten sich Meyer und sein Kollege Gerjet Harms am Mittwoch vor Gericht verantworten – wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt von Ausländern. Das Strafverfahren gegen sie wurde vom Amtsgericht Hildesheim vorerst ausgesetzt. Zunächst soll das Asylfolgeverfahren der kurdischen Familie abgewartet werden. „Wir sind sehr erleichtert über dieses Ergebnis“, sagte Meyer dem Tagesspiegel.

Beistand für Flüchtlinge und Verfolgte sei kein Widerstand gegen die Rechtsordnung, sondern Christenpflicht, betonte die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann am Mittwoch. Es handele sich beim Kirchenasyl um eine Gewissensentscheidung. Juristisch gesehen ist das Thema indes äußerst heikel. Mit diesem Prozess waren selbst der Amtsrichter und der Oberstaatsanwalt keineswegs glücklich. Amtsrichter Josef Hogreve sprach gar von einer „Instrumentalisierung“ der Strafjustiz: Auf dem Rücken der Justiz werde ein Problem ausgetragen, das dort gar nicht hingehöre. Oberstaatsanwalt Bernd Seemann kritisierte, in der niedersächsischen Innenverwaltung gebe es einen Konflikt um das Kirchenasyl. Einerseits würde es nicht gewaltsam beendet, andererseits erstatteten die Ausländerbehörden aber Strafanzeige gegen die betroffenen Pastoren.

Im Normalfall werden derartige Ermittlungen eingestellt, manchmal gegen ein Bußgeld. Meyer und Harms hatten jedoch Strafbefehle über 3750 und 5250 Euro erhalten. „Damit wären wir vorbestraft gewesen“, betonte Meyer. Die Pastoren legten Einspruch ein, es kam zum Prozess. Der Hildesheimer Fall ist schon der dritte dieser Art in Niedersachsen innerhalb von zwei Jahren. „Das Vorgehen der niedersächsischen Justiz ist bundesweit einmalig“, sagte Wolf-Dieter Just, der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche. Im niedersächsischen Justizministerium hieß es dazu, eine Häufung der Fälle sei nicht erkennbar.

An der politischen Debatte über das Kirchenasyl möchten sich die Hildesheimer Pastoren nicht beteiligen: „Wir wollten immer nur der Familie helfen“, betonte Meyer. Dem Familienvater drohe in der Türkei Folter. Die Matthäus-Gemeinde will den sieben Kurden Zuflucht gewähren, bis der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Der Entscheidung des Asylfolgeverfahrens werde sich die Gemeinde beugen, sagt Meyer. „Wir können nicht am Staat vorbei andere Rechtsfakten schaffen.“ Aber er ist zuversichtlich, dass die Familie in Deutschland bleiben darf.

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