zum Hauptinhalt
Steinmeier

© Fotot: DIG

Politik: Gewusst wie

Die Union hinterfragt die Rolle des BND im Irakkrieg – und so auch frühere Erklärungen von Steinmeier. Dieser soll sich nun erneut äußern.

Von Robert Birnbaum

Das alte Wort von den Krähen, die einander die Augen nicht aushacken, hat bisher zu den ungeschriebenen Gesetzen der großen Koalition gehört. Dem Gesetz verdankt mancher Minister, dass er immer noch Minister ist, und auch Frank-Walter Steinmeier hat davon profitiert. Im BND-Untersuchungsausschuss jedenfalls konnte der Ex-Kanzleramtschef bislang darauf bauen, dass die Inquisition von den Vertretern des Koalitionspartners CDU/CSU recht lustlos betrieben wurde. Seit Dienstag aber muss er damit rechnen, dass sich das ändert.

Norbert Röttgen nämlich, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, hat dem SPD-Kanzlerkandidaten den Freibrief entzogen, den er ihm indirekt noch vor zwei Jahren ausgestellt hat. Im Januar 2006 hatte Röttgen – in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) und namens des Geheimausschusses – den Bundesnachrichtendienst (BND) von dem Vorwurf entlastet, die US-Truppen im Irakkrieg aktiv unterstützt zu haben. Der Vorwurf war laut geworden, weil zwei BND-Agenten vor und während des US-Feldzugs in Bagdad saßen und ein Teil ihrer Informationen auch an die befreundeten Dienste in den USA weitergegeben worden waren. Aber, so fasst Röttgen heute seine Stellungnahme nach umfangreichen Anhörungen in dem Geheimgremium zusammen: Es lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass die weitergeleiteten Informationen als „Beteiligung an der aktiven Kriegführung“ gewertet werden konnten.

Doch seit das Magazin „Der Spiegel“ am Montag ein Interview mit dem früheren US–General James Marks veröffentlicht hat, will Röttgen zu diesem Freispruch nicht mehr bedingungslos stehen. Was der Ex-Militär über den Wert der BND-Agenten für die US-Aufklärung berichte, habe eine „andere Qualität“ als das, was Vertreter der früheren rot-grünen Regierung und des BND dem PKG erzählt hätten. Das gelte für konkrete Vorgänge, die Marks schildere und die im PKG nicht zur Sprache gekommen seien, ebenso wie für dessen Bewertungen über den Wert der BND-Agenten für die praktische Kriegführung: „Meine öffentliche Erklärung hatte eine andere Informationsbasis.“

Tatsächlich hat der damals für die Aufklärung zuständige US-General Informationen den BND-Residenten in der irakischen Hauptstadt zugeschrieben, die auch in den Unterlagen für den BND-Ausschuss nicht erwähnt werden. In einem Fall geht es um Roland-Luftabwehrraketen, in einem anderen um den Hinweis auf ölgefüllte Gräben und die geplante Zerstörung von Ölanlagen mit dem Ziel, die Aufklärung aus der Luft und dem All massiv zu behindern. Der Hinweis auf die Luftabwehrstellungen habe dazu geführt, dass die US-Armee auf einen Überraschungsangriff auf den Flughafen von Bagdad lieber verzichtet habe, berichtet Marks in dem Interview. Dass er darüber hinaus die Arbeit der beiden Deutschen als „von unschätzbarem Wert“ einstufte, weil die USA selbst praktisch niemanden vor Ort hatten, ist auch nicht deckungsgleich mit der rot-grün-amtlichen Darstellung, die die Informationen der beiden als nicht kriegswichtig darstellt.

Diese Widersprüche, sagt Röttgen, müssten aufgeklärt werden, weshalb es auch aus seiner Sicht „völlig geboten“ sei, Marks als Zeugen zu laden. Ob der dann von seiner Regierung eine Aussagegenehmigung bekommt, ist eine andere Frage – aber versuchen müsse man es. Schließlich gehe es um nichts weniger als das Funktionieren des PKG-Konzepts: Wenn sich das Parlament schon darauf einlasse, sein Kontrollrecht an zwei Handvoll Abgeordnete zu delegieren, die im Geheimen tagten und nicht darüber reden dürften, dann müsse auf der anderen Seite auf die Effizienz dieser Kontrolle Verlass sein.

Röttgen erwartet jetzt zunächst von Steinmeier selbst Aufklärung darüber, ob Marks „was Falsches gesagt“ habe. Der CDU-Politiker erwartet infolgedessen von seinen Fraktionskollegen am Donnerstag, wenn der Minister dem Untersuchungsgremium Rede und Antwort stehen muss, hartnäckig-sachliches Aufklärungsinteresse. „Da gibt es keine Schonung“, sagt Röttgen, fügt allerdings sofort hinzu: „Aber da gibt es auch keinen taktischen Angriff auf den Herausforderer.“ Den Eindruck, dass kurz vor dem Wahljahr 2009 Angela Merkels Gegenkandidat angeschwärzt werden soll, will er unbedingt zerstreuen. Ganz gelingt das nicht. Auf Fragen, was denn die Konsequenz für Steinmeier wäre, wenn der US-General recht hätte, lässt er sich zwar ausdrücklich nicht ein. Aber ein Satz fällt eben doch: „Es geht um faktische Aufklärung, aber auch um die Glaubwürdigkeit des Herrn Steinmeier.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false