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Politik: Ghostwriter im Auswärtigen Amt?

Auch aus der Koalition gibt es heftige Kritik an der Verschiebung des UN-Klonverbots – Nickels beschuldigt Fischer

Berlin. Mehr als ein Jahr war bei den UN über ein internationales Klonverbot verhandelt worden. Doch jetzt ist die Abstimmung darüber mit der denkbar knappsten Mehrheit von 80 zu 79 Stimmen für zwei Jahre vertagt worden. Die Deutschen votierten für die Verschiebung, und darüber herrscht nun parteiübergreifend Empörung. Aus zwei Gründen: Der Bundestag hatte die Delegation unter Leitung von Staatsministerin Kerstin Müller (Grüne) ausdrücklich beauftragt, sich für ein weltweites Klonverbot einzusetzen. Und Berlin stellte sich, zusammen mit Paris, erneut gegen die USA, die intensiv für ein umfassendes Verbot geworben hatten.

Die GrünenPolitikerin Christa Nickels griff ihre Parteikollegen heftig an: Am schlimmsten an dem „Desaster“ sei, dass ein grünes Ministerium federführend beteiligt gewesen sei, sagte sie dem Tagesspiegel. Das Außenministerium unter Joschka Fischer habe nicht nur die deutsche Gesetzeslage und den mehrfach geäußerten Willen des Parlaments, sondern auch „23 Jahre grüner Arbeit global konterkariert“. Der Beschluss gehe an die „Grundsubstanz grüner Werte“ und sei für sie persönlich „eine der bittersten Stunden als Politikerin“. Hätte sich Deutschland von Anfang an für den Antrag Costa Ricas eingesetzt, der ein komplettes Klonverbot forderte und den 63 Staaten mittrugen, hätte man die unentschiedenen Länder überzeugen und eine große Mehrheit für das Verbot erhalten können, so Nickels. Stattdessen hätten sich die deutschen Verhandlungsführer als „Ghostwriter für das Gegenteil stark gemacht“. Dies liege auf der Linie SPD-geführter Ministerien, die versucht hätten, „die Rechtslage anzubohren und aufzuweichen“. So sei es kein Zufall, dass Bundesjustizministerin Zypries kurz vor der UN-Entscheidung Reagenzglas-Embryonen die Menschenwürde abgesprochen habe. Nickels nannte es einen „massiven Angriff auf die Gewaltenteilung, dass man vom Ausland aus versucht, den Willen des Gesetzgebers sturmreif zu schießen“

Eine Sprecherin des Außenministeriums verteidigte das deutsche Votum in New York. Man habe so eine Spaltung der Staatengemeinschaft verhindern wollen. „Wir haben einer Verschiebung zugestimmt, um die Möglichkeit einer internationalen Konvention zu erhalten“, sagte die Sprecherin. Kerstin Müller machte für das Scheitern der Verhandlungen andere Staaten verantwortlich. Deutschland und Frankreich hätten eine „von allen Staaten getragene, universale Konvention“ verfolgt, sagte sie. Nicht alle beteiligten Staaten hätten jedoch eine „konsensfähige Lösung“ gewollt. Nur Konsens in den UN könne aber Grundlage für ein „weltweit gültiges und effizientes Klonverbot“ sein.

Unionsfraktionsvize Maria Böhmer nannte die Verschiebung eine „politische Bankrotterklärung“. Deutschland habe international seine Glaubwürdigkeit in ethischen Fragen aufs Spiel gesetzt. Die Regierung habe starke Partner wie die USA „im Stich gelassen“. Der SPD-Gesundheitspolitiker Wolfgang Wodarg zeigte sich „entsetzt“ über die lange Dauer der Vertagung: „Wer klonen will, hat jetzt die Chance, ordentlich loszulegen und Tatsachen zu schaffen“. Die katholische Kirche nannte das Scheitern der UN-Bemühungen eine „große Tragik“. Der Vatikan kündigte an, er werde weiter für eine weltweite Ächtung des Klonens kämpfen. Kritik kam auch aus Spanien und Österreich. Madrid nannte es „einen Irrtum“, die Entscheidung über ein so wichtiges Thema zu verschieben. Österreich, das sich für ein umfassendes Klonverbot einsetzt, habe „das Thema für so wichtig gehalten, dass es nicht zwei Jahre lang auf Eis liegen darf“, hieß es in Wien. Bis zu einer endgültigen Konvention dauere es mit dem beschlossenen Moratorium „zu lange“. Tsp

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