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Giftgas: Libyens Senfgasbestände in Händen der Rebellen

Die Aufständischen Libyens haben die Giftgasbestände des Gaddafi-Regimes unter ihre Kontrolle gebracht. Die Kämpfe verlagern sich auf Sirte, die Geburtsstadt des Ex-Diktators.

Von Frank Jansen

Berlin - Mit dem Umbruch in Libyen scheint sich nun eine große Sorge des Westens erledigt zu haben. Das vom Gaddafi-Regime vorrätig gehaltene Giftgas befindet sich nach Informationen des Tagesspiegels jetzt in der Hand der Rebellen. Die Aufständischen hätten die Bestände an Senfgas „unter ihrer Bewachung“, hieß es in internationalen Sicherheitskreisen. Noch Ende August hatten die Experten berichtet, Einheiten des gestürzten Machthabers Muammar al Gaddafi seien weiterhin im Besitz der chemischen Kampfstoffe.

Die Übernahme durch die Rebellen sei durch Satellitenaufnahmen belegt, war in den internationalen Sicherheitskreisen zu hören. Das Senfgas sei in der Chemieanlage Ruwagha 600 Kilometer südöstlich der Hauptstadt gelagert. Die Nato überwacht den Komplex aus der Luft. Eine Gefahr, dass Gaddafis Truppen oder militante Islamisten an den Kampfstoff herankommen, sei „im Moment auszuschließen“. Das Senfgas befinde sich zudem in einem festen Aggregatzustand, so dass eine Nutzung als Waffe derzeit nicht möglich sei, hieß es.

Nach Ausbruch der Kämpfe im Libyen hatten Sicherheitsexperten in den USA, Europa und Israel befürchtet, Gaddafi werde das Giftgas zur Bekämpfung der Opposition einsetzen. Im Februar warnte der zurückgetretene libysche Justizminister Mustafa Abdel Galil, es sei Gaddafi zuzutrauen, mit Senfgas gegen die Rebellen vorzugehen. Ein anderer arabischer Diktator hatte es vorgemacht. Im März 1988 ließ Saddam Hussein die von Kurden bewohnte Stadt Halabdscha im Nordosten des Irak mit Senfgas und anderen chemischen Kampfstoffen bombardieren. Etwa 5000 Menschen starben einen qualvollen Tod, die Zahl der Verletzten war schätzungsweise doppelt so hoch.

Verlässliche Angaben, wie viel Senfgas in Libyen gelagert ist, gibt es nicht. Das Gaddafi-Regime, das 2004 der internationalen Chemiewaffenkonvention beitrat, meldete einen Bestand von 23 Tonnen. Internationale Experten vermuten, dass mindestens die Hälfte der Senfgasbestände noch existiert. Die für chemische Kampfeinsätze nötigen Kartuschen und Granaten sollen allerdings noch zu Gaddafis Zeiten vernichtet worden sein.

Der libysche Nationaler Übergangsrat mobilisierte am Samstag nach eigenen Angaben tausende Kämpfer für den Angriff auf Sirte, die Geburtsstadt Gaddafis und eine seiner letzten Hochburgen. Mindestens 6000 Kämpfer mit 1200 Fahrzeugen seien aus Misrata und anderen Städten in und um die Küstenstadt zusammengezogen worden, sagte der Kommandeur Salem Dscheha der Nachrichtenagentur AFP. Seit dem Vorabend sei der Flughafen der Stadt unter ihrer Kontrolle. Es gebe noch Widerstand, doch die Befreiung der Stadt sei „geregelt“ und „beendet“, sagte Dscheha. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sei geflohen.

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