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Entwicklungsziele. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die Chefin der Kommission der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, redeten in Addis Abbeba über Geld.

© Tiksa Negeri/Reuters

Update

Gipfel für Entwicklungsfinanzierung: Geld für eine bessere Welt

Der Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abbeba behandelte die Frage: Wer zahlt wie viel? Jetzt einigten sich die 193 Staaten auf eine Abschlusserklärung. Entwicklungsorganisationen gehen die Beschlüsse nicht weit genug.

Das Ende der Armut, Bildung für alle, sauberes Wasser, Toiletten, saubere Energie für alle: Das sind nur fünf von 17 Nachhaltigkeitszielen, die aus der Welt einen besseren Ort machen sollen. Im September soll die Generalversammlung der Vereinten Nationen diese sogenannten SDGs (Sustainable Development Goals) verabschieden. Doch mit welchem Geld diese Nachhaltigkeitsziele erreicht werden sollen, wurde in dieser Woche beim Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abbeba ausgehandelt.

Am späten Mittwochabend einigten sich die 193 Länder auf eine Abschlusserklärung. Dieses Dokument soll die Basis für die Entwicklungsfinanzierung der kommenden 15 Jahre bis 2030 sein. Ban Ki Moon lobte den Beschluss in der Nacht zum Donnerstag als Basis für eine nachhaltige Entwicklung: "Dieses Ergebnis gibt uns die Basis, um eine globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung wiederzubeleben, die niemanden zurücklässt."

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) appellierte auf dem Gipfel an die globale Verantwortung aller. Er lobte die Konferenz am Donnerstag als "großen Erfolg". Weiter sagte er: „Erstmals haben wir eine Übereinkunft erzielt, wonach Entwicklungs- und Klimaziele zusammen gehören, zusammen gedacht und zusammen finanziert werden.“ UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Privatwirtschaft auf, in die Entwicklungsziele zu investieren. Schließlich gehe es um die Zukunft des Planeten. Damit spielte er auf den Klimagipfel an, bei dem im Dezember in Paris ein neues globales Abkommen beschlossen werden soll. Auch dabei ist es entscheidend, wie die Frage beantwortet wird: Wer zahlt wie viel?

Entwicklungsländer haben Finanzierungsprobleme

Dass es nicht nur um öffentliche Entwicklungshilfemittel gehen kann, haben inzwischen alle eingesehen. 2014 haben die reichen Industrieländer 135,2 Milliarden Dollar Entwicklungsmittel aufgebracht, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) ermittelt. Das ist wenig im Vergleich zu dem Geld, das illegal aus Entwicklungsländern abfließt. Damit ist das Abziehen von Geld auf ausländische Konten und Steuerflucht gemeint. 2012 waren das nach einer Schätzung der Nichtregierungsorganisation Global Financial Integrity (GFI) 991,2 Milliarden Dollar. Das Africa Progress Panel, dem der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan vorsitzt, zählt dazu aber auch unfaire Preise für Rohstoffexporte aus Afrika. Die deutsche Nichtregierungsorganisation Erlassjahr.de rechnet vor, dass der Schuldendienst der Entwicklungs- und Schwellenländer 2013 trotz aller Schuldenerlasse schon wieder bei 680 Milliarden Dollar gelegen habe.

Die Steuerbasis stärken

Die Ökonomen bei der Weltbank gehen davon aus, dass jeder selbst erwirtschaftete Steuer-Dollar mehr Wirkung auf die öffentlichen Dienstleistungen wie etwa die Gesundheitsversorgung oder das Bildungsangebot haben als Entwicklungsmittel aus dem globalen Norden. Entsprechend heißt es in der Abschlusserklärung: "Jedes Land ist für seine Entwicklung selbst verantwortlich."

Diese Zahlen machen auch deutlich, warum in Addis Abbeba Tage lang vor allem über Steuern diskutiert worden ist. Die OECD und die Weltbank haben eine Initiative gegründet, die armen Ländern mit Expertise bei der Eintreibung von Steuern helfen soll. Viele arme Länder besteuern weder ihre reichen noch ihre armen Bürger. Die Armen nicht, weil der bürokratische Aufwand hoch und nicht viel zu holen ist, und die Reichen nicht, weil die damit drohen können, ihr Geld aus dem Land abzuziehen.

Und immer wieder: 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für die Armen

In der Abschlusserklärung ist deshalb festgehalten worden, dass alle Staaten ihre Finanzierungsbasis verbessern sollen. Bei den Steuern sollen zudem weltweit mehr Informationen ausgetauscht werden, um Steuerbetrug schwerer zu machen. Es soll aber auch weiterhin Geld aus den reichen in die armen Staaten fließen, vor allem in die ärmsten Staaten, denn dort kam das Geld aus dem Norden zuletzt immer spärlicher an. Entwicklungsorganisationen wie etwa „One“ setzen sich auch weiterhin dafür ein, das schon 1970 gegebene Versprechen, 0,7 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung in armen Ländern zu investieren, endlich einzuhalten. One-Geschäftsführer Tobias Kahler bezeichnete das Gipfelergebnis am Donnerstag als "solide Basis" für die weitere Arbeit.

Kritik an den Gipfelergebnissen

Schon am Mittwochabend zeigte sich das NGO-Bündnis Civicus enttäuscht vom Ausgang des Gipfes. Danny Sriskandarajah sagte: "Reiche Länder sind unfähig oder unwillig, mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit aufzubringen, und die groß angekündigten neuen und innovativen Finanzströme materialisieren sich nicht annähernd in dem Umfang, der nötig wäre." Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender des Dachverbands der deutschen Entwicklungsorganisationen Venro sagte: "Der Aktionsplan von Addis Abeba ist nicht nur wenig visionär, sondern schlichtweg unzureichend."

Nach dem Ende des Gipfels bemängelten die meisten NGOs, dass es kein "zusätzliches Geld" für die Erreichung der Entwicklungsziele gegeben habe. Vor allem kirchliche Entwicklungsorganisationen sind außerdem sehr skeptisch, wenn es um eine stärkere Finanzierung durch Privatunternehmen geht. Sie befürchten, dass sich Firmen, die in Entwicklungsländern die Lebensgrundlagen von armen Menschen mit ihren Geschäften zerstören, auf diese Weise versuchen könnten, ihren Ruf zu verbessern. Besonders verärgert sich viele NGOs, dass die Industriestaaten eine neue UN-Organisation zur Bekämpfung des Steuerbetrugs abgelehnt haben. Über dieser Frage wäre der Gipfel am Mittwoch beinahe gescheitert. Auch die Opposition in Deutschland ist mit den Gipfelergebnissen unzufrieden. Die grüne Bundestagsabgeordnete Claudia Roth sagte am Donnerstag: "Eiskalt setzen die Industriestaaten Konzerninteressen vor das Recht auf Entwicklung, verweigern Maßnahmen zur Herstellung globaler Steuergerechtigkeit und sind nicht bereit, ihre Versprechen zur Entwicklungs- und Klimafinanzierung einzuhalten. Ich mache mir große Sorgen, denn jetzt droht ein Scheitern des Nachhaltigkeitsgipfels in New York und der Klimakonferenz in Paris." Sie kritisierte ebenso wie der Entwicklungsexperte der Grünen im Bundestag, Uwe Kekeritz, dass Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) lediglich eine kurze Rede gehalten, aber nicht selbst verhandelt hatte. Roth nannte das ein "Versagen der Bundesregierung".

Weniger Risiko für Investoren

Der Afrikaverein der deutschen Wirtschaft dagegen rät dazu, deutlich mehr Geld aufzubringen, um risikoreiche Geschäfte auch deutscher Firmen in Entwicklungsländern abzusichern und so mehr Direktinvestitionen zu ermöglichen. Darauf hofft auch der Chef der UN-Inititiative „Saubere Energie für alle“, Kandeh Yumkella, der die für sein Programm nötigen gut 120 Milliarden Dollar im Jahr darüber auftreiben will, dass Investoren Risiken abgenommen werden. So könnte das Geld, das Investoren in Zeiten niedriger Zinsen kaum noch gewinnbringend anlegen können, für eine nachhaltige Entwicklung in armen Ländern mobilisiert werden, hofft Yumkella. Konkret stellt sich der Afrikaverein vor, dass Investitionsrisiken und vor allem Risiken bei der Entwicklung von Investitionsprojekten abgesichert werden, "weil sich ein Mittelständler oft nicht leisten kann, dass so ein Projekt dann scheitert", sagte der Präsident des Afrikavereins, Stefan Liebing, dem Tagesspiegel.

Die Beschlüsse von Addis Abbeba

Im einzelnen haben die Staaten vereinbart, eine Technologie-Einrichtung zu gründen, über die mehr Zusammenarbeit bei der Entwicklung und dem Austausch von Technologien organisiert werden soll. In einem globalen Infrastruktur-Forum sollen Schwächen herausgearbeitet und Abhilfe vereinbart werden. Die Staaten verpflichten sich, eine soziale Absicherung für die Ärmsten zu schaffen. Um die Volksgesundheit zu verbessern und die Einnahmesituation vieler Länder gleich mit, hat der Gipfel beschlossen, Tabak zu besteuern, wo immer er noch nicht besteuert wird. Um mehr Jobs vor allem für die unterbeschäftigte Jugend zu schaffen, wollen die Staaten Kreditmöglichkeiten für kleine Unternehmen schaffen, um ihnen so Wachstum zu ermöglichen.

Die reichen Staaten haben einmal mehr zugesagt, künftig das 0,7-Prozent-Ziel einzuhalten - allerdings ohne dafür einen Zeitplan zu machen. Zwischen 0,15 und 0,20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts reicher Staaten soll in den am wenigsten entwickelten Staaten finanziert werden, heißt es weiter in der Abschlusserklärung. Zudem bestätigten die Industriestaaten ihr bereits beim Kopenhagener Klimagipfel 2009 gegebenes Versprechen, bis 2020 insgesamt 100 Milliarden Dollar für den Klimaschutz und die Anpassung an die globale Erwärmung in armen Ländern aufzubringen und dann von 2020 an jährlich diese Summe mit privaten und öffentlichen Mitteln zu investieren.

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