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Im Mittelpunkt: Wenn die heiße Wahlkampfphase beginnt, wird der Untersuchungsausschuss des Bundestags zum gescheiterten Rüstungsprojekt „Euro Hawk“ eine zentrale Rolle spielen. Und damit auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière.

© dpa

Glaubwürdigkeitskrise: De Maizière: Ahnungslos - arglos - Amt los?

Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat sich in eine äußerst unangenehme Lage manövriert. Längst ist der Minister in eine Glaubwürdigkeitskrise gerutscht. Seine Strategie wankt immer mehr: Erst ahnungslos, dann arglos – ist er am Ende auch das Amt los?

Von Robert Birnbaum

Es gibt viele Sommerfeste dieser Tage im politischen Berlin, man trifft dort diesen oder jenen – nur einen trifft man nicht: jemanden, der versteht, was Thomas de Maizière sich bei der Selbstverteidigung in der „Euro Hawk“-Affäre eigentlich gedacht hat. Das Kopfschütteln ist völlig unabhängig vom Parteibuch. Der Verteidigungsminister, so das einhellige Urteil, hat sich ohne erkennbare Not in eine äußerst unangenehme Lage manövriert. Aus einem dieser Beschaffungsdesaster, wie sie in der Geschichte der deutschen Rüstungsprojekte so selten ja nicht sind, ist eine Glaubwürdigkeitskrise des Ministers geworden. Und daran ist er auch noch selber schuld.

Denn der CDU-Politiker hat eine Situation geschaffen, in der sein politisches Überleben von einem Wort wie „unlösbar“ abhängt. Am Mittwoch muss es sein Sprecher wieder bemühen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat als Erste ein Dokument aufgespürt, das zeigt, dass de Maizière schon Ende 2012 über die gravierenden Probleme mit der Aufklärungsdrohne im Bilde war. Es handelt sich um eine Mappe mit Unterlagen, die der Minister am 10. Dezember 2012 mit zu einem Gespräch bei Cassidian nahm. Die Rüstungstochter des europäischen EADS- Konzerns baut das Aufklärungssystem Isis, das der „Euro Hawk“ nutzen sollte.

In diesen Unterlagen, die de Maizière auch gelesen hat, listete die Rüstungsabteilung des Hauses im Detail den kritischen Stand des Projekts auf, inklusive der Idee, Isis in ein anderes Fluggerät zu montieren. Die Aufzählung mündete in die „Sprechempfehlung“, es sei „derzeit keine Grundlage gegeben, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu treffen“.

Das klingt nach einem Aus, und zwar ein halbes Jahr bevor es dann vollzogen wurde. De Maizières Sprecher hält dagegen: In der Unterlage finde sich aber zugleich der Hinweis darauf, dass im Ministerium „alternative Zulassungswege“ erwogen würden. Es sei also auch in diesem Dokument nicht von endgültig „unlösbaren“ Problemen die Rede gewesen, sondern von „lösbaren“.

Das stimmt. Es stimmt aber auch, dass dieses „unlösbar“ die dritte und letzte Deichlinie ist, die de Maizière gegen die Flut der Vorwürfe errichtet hat. Erst erschien er als der Minister Ahnungslos. Das hat keiner glauben können, und es stimmte ja auch nicht. Dann zeichnete er sich selbst als Minister Arglos, der zwar allgemein von Problemen wusste, aber nicht richtig nachgefragt hat. Das hat wieder keiner glauben können, und es stimmt ja auch nicht. Das Dezember-Papier zeigt, dass Nachfragen nicht nötig gewesen wäre – er kannte den Stand der Dinge zumindest seit diesem Zeitpunkt.

So bleibt als letztes Bild nur noch der Minister Sorglos, der halt darauf vertraut habe, dass seine Leute die Probleme schon irgendwie lösen. Besonders plausibel finden das nicht mal Leute aus den eigenen Reihen, die de Maizière als peniblen und informierten Arbeiter kennen. Dort versteht sowieso keiner, wieso de Maizière nicht von Anfang an gesagt hat: Ich wusste immer mehr oder weniger genau Bescheid über die Schwierigkeiten des „Euro Hawk“-Projekts; aber ich fand die Rettungsversuche ebenso richtig wie am Ende den Abbruch und habe mich deshalb nicht eingemischt. Stattdessen, vermerkt einer der Kopfschüttler aus der CDU, habe er sich auf ein Versteckspiel eingelassen und so selbst dafür gesorgt, dass jedes neue Dokument ab jetzt gegen ihn verwendet werden könnte.

Bei der Opposition glauben ihn manche schon überführt. „Das ist der Beweis“, frohlockt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles über die Mappe für das Treffen mit Cassidian: „De Maizière hat Parlament und Öffentlichkeit belogen.“ Die Generalin bleibt mit diesem forschen Urteil allerdings vorerst allein. Selbst SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, der sonst schon von Amts wegen keine Kampfansage scheut, belässt es bei der vorsichtigeren Formel, de Maizière habe „nach unserer Überzeugung“ nicht die Wahrheit gesagt. Auch deshalb sei jetzt härtere Gangart notwendig, also ein Untersuchungsausschuss.

Bis dahin dauert es aber noch. Erst in zwei Wochen soll sich der Verteidigungsausschuss zum Untersuchungsgremium ernennen. Bis dahin will die Opposition sich mit Schwarz-Gelb auf einen Prüfauftrag einigen. Die Koalition will die „Euro Hawk“-Geschichte seit 2001 aufarbeiten, inklusive rot-grüner und großkoalitionärer Tage. Der Opposition würde die Amtszeit de Maizières völlig ausreichen.

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