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Politik: Gleich wieder anders

In der Union rumort so einiges. Was für ein Krisenmanagement erfordert das von Angela Merkel?

(Der Tagesspiegel, 25.10.2005)

- Die guten Kinder belohnt der Nikolaus, die bösen straft Knecht Ruprecht bekanntlich mit der Rute. Genau einen Tag vor dem Fest des Heiligen will die CDU Rückschau auf den Wahlkampf halten und, wenn denn auch nicht Süßigkeiten und Rutenschläge, so doch zumindest Lob und Tadel verteilen und sicherlich in Teilen auch Besserung geloben. Mit der überraschenden Ankündigung des 5. Dezembers als Termin für die Selbstkritik reagierte Angela Merkel am Montag auf die immer lauter werdenden Rufe nach einer gründlichen Wahlanalyse.

Zwar habe in den Gremiensitzungen der Deutschlandtag der Jungen Union vom Wochenende nur am Rande eine Rolle gespielt, versicherte Generalsekretär Volker Kauder am Montag. Doch offensichtlich hatte das Verlangen der Parteijugend nach einer sofortigen Analyse den Ausschlag gegeben, einen Termin für die Aussprache anzusetzen. Merkel will damit ihren Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, Handlungsbereitschaft demonstrieren sowie verhindern, dass sich mitten in den Kräfte raubenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD die Rufe nach einer Aufrechnung verstärken. Je näher die Gefahr rückte, sich in eine Debatte um Notwendigkeit der Analyse zu verstricken, umso eher wäre auch die Autorität Merkels untergraben worden.

Zumindest in der CDU-Spitze war die Botschaft schon am Montagmorgen verstanden und auch gutgeheißen worden. Selbst wichtige CDU-Politiker, die wie NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers oder der rheinland-pfälzische Parteichef Christoph Böhr ihrer Parteichefin auch häufig widersprechen, verteidigten das Aufschieben der Debatte auf die Zeit nach den Koalitionsverhandlungen.

Den Streitpunkt der Debatte haben die Parteiflügel längst benannt: Während die Junge Union in Augsburg die energischen Reformer demonstrativ beklatschte und im Wahlkampf eher ein Vermittlungs- als ein Inhaltsproblem kritisiert, sehen der Arbeitnehmerflügel (CDA), Rüttgers und große Teile der CSU eine radikale Umbaupolitik ohne Rücksicht auf die Interessen der abhängig Beschäftigten als Ursache. CDA-Chef Karl-Josef Laumann verlangte in einem Brief an Merkel bereits eine sozialere Ausrichtung der Partei und Signale wie die Änderung der Rentenformel, um Geringverdiener vor Altersarmut zu bewahren. CSU-Sozialexperte Horst Seehofer, der auf Druck seiner Partei in Merkels Kabinett wechseln soll, weiß deshalb viele CDU-Mitglieder hinter sich, wenn er den Reformkurs der designierten Kanzlerin kritisierst. Gegenüber dem "Spiegel" machte Seehofer deutlich, dass seine Aufstellung als Minister ihn nicht am Kampf um einen sozialeren Kurs der Union hindern werde: "Glauben Sie, ich hätte eine Chance auf ein Ministeramt gehabt, wenn der Radikalkurs nicht eindeutig abgewählt worden wäre?"

Widerstehen muss Merkel auch dem Versuch der Schwesterpartei, ihrem Chef Stoiber als künftigem Wirtschaftsminister mehr Einfluss in der Regierung zuzusichern. Stoiber beansprucht Teile des Forschungsministeriums, was zu Lasten der designierten Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) gehen würde. Kauder kündigte an, Merkel und Stoiber würden sich in den kommenden Tagen einigen. Während Schavan versöhnliche Töne anschlug, lud CSU-Landesgruppenchef Glos den Streit noch auf, indem er damit drohte, Stoiber könne auch als Ministerpräsident in München bleiben. Langfristig stärken solche Kraftdemonstrationen die Stellung der CSU so wenig wie die Stoibers. "Ein Säulenheiliger kippt vom Sockel", betitelte die "Süddeutsche Zeitung" am Montag ein Porträt des CSU- Chefs und Merkel-Gegenspielers.

Taktisch birgt die Verschiebung der Wahlanalyse für Merkel freilich auch ein Problem: Gibt sie Reformpositionen vor den Verhandlungen mit der SPD auf, fehlen ihr Druckmittel. Da ihre Partei aber auch ohne Aussprache einen Linksruck der Chefin erwartet, wird die SPD die Verteidigung von Arbeitnehmerinteressen am Ende allein auf ihre Fahnen schreiben. Die Sozialdemokraten beobachten sehr genau, wie viel Autorität Merkel in den eigenen Reihen genießt. Vor falschen Schlussfolgerungen sollte sie eine Warnung Horst Seehofers schützen: "Wer diese Frau unterschätzt, hat schon verloren." (Von Cordula Eubel und Hans Monath)

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