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Angela Merkel steht bei der Computermesse CeBIT neben dem Erdogan und seiner Frau Emine. Frauen und Männer sind nach Ansicht des türkischen Präsidenten nicht für die gleiche Art von Arbeit geeignet

© dpa

Gleichberechtigung: Recep Tayyip Erdogan schickt Frauen zurück an den Herd

Auf der Basis seiner eigenen religiösen Werte stellt der türkische Präsident Erdogan soziale Errungenschaften in Frage, die für ihn "unnatürlich" sind. Er hat es auf die Frauen abgesehen. Die sollten sich wehren. Ein Kommentar.

Was der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag über die Gleichstellung der Frau zu sagen hatte, empörte viele in seinem Land. Eine völlige Gleichberechtigung der Geschlechter sei gegen die Natur, sagte Erdogan unter anderem. Dass der Präsident eines EU-Bewerberstaates solch einen Satz vom Stapel lässt und von seinem Publikum – Mitgliedern eines Frauenverbandes – Zuspruch erwartet, wirft ein Schlaglicht auf Erdogans Linie als Präsident.

Der 60-jährige erklärt eine konservative Auslegung des Islam zur verbindlichen Richtschnur für die wichtigsten Werte der ganzen türkischen Gesellschaft. Frauen und Mütter stehen demnach unter einem besonderen Schutz, sind aber nicht gleichberechtigt. Wie bei seiner merkwürdigen These zur Entdeckung Amerikas durch Muslime versucht Erdogan dabei, sich selbst als Verteidiger des Islam darzustellen. Als gewiefter Parteipolitiker hat er die Stimmen der konservativen Türken im Blick, die bei der Parlamentswahl in sieben Monaten seiner Regierungspartei AKP einen neuen Sieg bescheren sollen.

Die Frauenerwerbsquote liegt in der Türkei bei nur 30 Prozent

Das Bedenkliche an Erdogans frauenpolitischen Äußerungen ist nicht, dass er sich auf religiöse Werte bezieht – das tun konservative Politiker überall auf der Welt. Besorgniserregend ist, dass Erdogan auf der Basis seiner eigenen religiösen Werte soziale Errungenschaften wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Frage stellt. Wenn der Präsident höchstpersönlich verkündet, Frauen sollten sich um ihre Mutterrolle kümmern, dann torpediert er damit Bemühungen um eine Stärkung von Frauenrechten in seinem Land. Die Frauenerwerbsquote in der Türkei liegt in der Türkei unter 30 Prozent – das bedeutet, dass in der Türkei nur halb so viele Frauen arbeiten wie in der EU.

Die Gleichberechtigung wird unter anderem vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verteidigt, dem auch Ankara zu folgen hat. Doch in der Türkei will Erdogan offenbar selbst festlegen, was „gegen die Natur“ ist. Es gibt im Land viele Menschen, die ihm da heftig widersprechen, weshalb Erdogans Äußerungen eigentlich ein gefundenes Fressen für die Opposition wären. Es gibt jedoch niemanden in der türkischen Politik, der diese Unzufriedenheit kanalisieren und in politische Erfolge ummünzen könnte. Deshalb wird die Kritik an der „unnatürlichen“ Gleichberechtigung nicht die letzte derartige Äußerung Erdogans gewesen sein.

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