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Politik: Globalisierung: Ein Herz für die Gegner

So freundliche Worte hat wohl selten ein Regierungschef für die Globalisierungsgegner gefunden. Bundeskanzler Gerhard Schröder mag die jungen Menschen, die in Göteborg, Seattle und Genua gegen die vermeintlichen Auswirkungen der Globalisierung demonstrierten, nicht pauschal verdammen.

So freundliche Worte hat wohl selten ein Regierungschef für die Globalisierungsgegner gefunden. Bundeskanzler Gerhard Schröder mag die jungen Menschen, die in Göteborg, Seattle und Genua gegen die vermeintlichen Auswirkungen der Globalisierung demonstrierten, nicht pauschal verdammen. "Politik scheint mir gut beraten, diesen Protest, auch wenn er häufig keine präzise politische Richtung zu haben scheint, durchaus ernstzunehmen", sagte der Kanzler am Dienstag auf der 5. Internationalen Wirtschaftstagung der SPD in Berlin. Schließlich seien die Globalisierungsgegner mit ihrer Kritik an ungleichen Handelsbeziehungen, an Finanzspekulationen, die ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins bringen, "ja in guter Gesellschaft". Schröder zeigte sich nachdenklich: Hat nicht Michael Moore, der Generaldirektor der WTO, erst vor kurzem in aller Öffentlichkeit gesagt, er selbst teile bis zu 80 Prozent der Argumente jener Kritiker?

Dennoch wird Gerhard Schröder nun nicht plötzlich zum Globalisierungskritiker. Nein, das nicht. "Moderne Sozialdemokraten haben die Globalisierung angenommen", sagte er. Doch der Kanzler zeigte auch, dass er die Unsicherheit nachvollziehen kann, die die international vernetzte Wirtschaft und das Tempo der Modernisierung bei vielen Menschen hervorruft. Schröder zeigte aber nicht nur Verständnis für Globalisierungsgegner. Er denkt nun offenbar darüber nach, die Finanzmärkte stärker zu regulieren.

Vielleicht war es ja nur ein freundliches Gastgeschenk an seinen französischen Amtskollegen Jospin, doch der Kanzler ließ durchblicken, dass er Geschmack an einer besonderen Idee Jospins finden könnte, der am Mittwoch zu Besuch kommt. Jospin hatte "erst kürzlich eine Devisensteuer auf kurzfristige spekulative Kapitalbewegungen ins Gespräch gebracht", erinnerte Schröder. Natürlich wisse er, Schröder, um die gravierenden Bedenken gegen diese sogenannte Tobin-Steuer. "Aber wir wissen auch um Schwachstellen im Weltfinanzsystem." Deswegen meint nun auch der Kanzler, die Tobin-Steuer könne ein Instrument sein auf der Suche nach einer Antwort darauf, "wie wir auf die relative Verselbständigung spekulativer Finanzströme reagieren wollen". Einen, der sich weit von Schröder entfernt hat, wird das freuen: ExSPD-Chef Oskar Lafontaine, der das schon lange will. Am Tag, als Schröder in Berlin sprach, wurde er Mitglied der Organisation der Globalisierungskritiker, Attac.

Carsten Germis

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