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"Gorch Fock" und Waffenspiele: Bundeswehr wird generalüberholt

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat eine Untersuchung der gesamten Bundeswehr auf Fehlverhalten und menschenverachtende Zustände angeordnet. Ein Bericht erhebt Vorwürfe gegen Todesschützen.

Von Michael Schmidt

Berlin - Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) hat eine Untersuchung der gesamten Bundeswehr auf Fehlverhalten und menschenverachtende Zustände angeordnet. „Ich habe den Generalinspekteur beauftragt, eine Überprüfung in allen Teilstreitkräften vorzunehmen, inwieweit es in den letzten Jahren und auch jetzt noch Anhaltspunkte für Rituale gibt, die den Grundsätzen der Bundeswehr widersprechen“, sagte Guttenberg der „Bild am Sonntag“. Er reagierte damit auf Berichte über Schindereien an Bord des Segelschulschiffs „Gorch Fock“ und Waffenspiele in Afghanistan. Bereits am Freitagabend hatte Guttenberg den Kapitän des Dreimasters, Norbert Schatz, vorerst seines Kommandos enthoben. Nach Informationen des Tagesspiegels hat es schon vor dem Tod einer Offiziersanwärterin im November 2010 in Südamerika massive Probleme an Bord gegeben. 17 Kadetten brachen die Ausbildung demnach bereits in Lissabon ab.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Guttenberg vor, den Bundestag über die Vorgänge nicht ausreichend informiert zu haben. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nannte die Reaktionen des Ministers „auf den persönlichen Effekt“ ausgerichtet. Anders als die Linke wollten beide Parteien aber noch nicht über einen Untersuchungsausschuss reden. Erst wolle man dem Minister die Gelegenheit geben, am Mittwoch im Verteidigungsausschuss „ausführlich Auskunft zu geben“, sagte der Grünen-Obmann Omid Nouripour.

Mit Blick auf den Fall in Afghanistan, bei dem ein Soldat einen Kameraden versehentlich erschossen hatte, sagte Guttenberg, bei den nun angeordneten Untersuchungen müsse auch geklärt werden, „ob es in Einzelfällen einen Zusammenhang zwischen Einsatzbelastung und Verstößen gegen Grundsätze der inneren Führung und Vorschriften gab, wie zum Beispiel den leichtfertigen Umgang mit Waffen“. Ein interner Feldjägerbericht, der dem Tagesspiegel vorliegt, kommt zu dem Ergebnis, der Tod des Soldaten sei ein Unglücksfall, der aber auf massives Fehlverhalten des Schützen im Umgang mit der Dienstwaffe zurückzuführen sei. Die Familie des getöteten Soldaten bat dem „BamS“-Bericht zufolge darum, von einer Strafverfolgung des Todesschützen abzusehen. Schütze und Opfer seien seit langem eng befreundet gewesen, ihre Familien seien es heute noch. Dagegen haben sich einem Bericht der „Bild“-Zeitung zufolge jetzt die Eltern einer 2008 über Bord gefallenen und ertrunkenen Kadettin eingeschaltet und den Minister aufgefordert, den Fall neu aufzurollen, um den weitgehend rätselhaften Tod der damals 18-jährigen Frau aufzuklären. Sie wollen an diesem Montag Anzeige gegen unbekannt wegen sexueller Nötigung erstatten.

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