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Grenzen des Wahlsiegs: Obama wird von konservativen Demokraten eingeschränkt

Konservative Demokraten zwingen US-Präsident Barack Obama bei der Gesundheitsreform auf Mittekurs. Dies ist eigentlich die Rolle der Republikaner.

Dies ist noch lange nicht das Aus für Barack Obamas Gesundheitsreform. Der Präsident hat aber einen empfindlichen Rückschlag beim zentralen innenpolitischen Projekt seiner Amtszeit erlitten – und das hat Folgen für die künftige Machtbalance zwischen ihm, den unterschiedlichen Flügeln seiner Demokratischen Partei und den Republikanern. Das Image des strahlenden Siegers, dem man sich besser nicht in den Weg stellt, hat jetzt Kratzer. Obama hatte gedrängt, beide Kammern des Kongresses sollten noch vor der Sommerpause Gesetzesentwürfe vorlegen und in den Ausschüssen abschließend beraten. Sein Ziel war, die Eckpunkte der Reform festzunageln, damit die Gegner die fünf Wochen sitzungsfreie Zeit nicht dazu nutzen, das ganze Projekt mit Anzeigenkampagnen zu torpedieren. Doch der Senat beugt sich dem Drängen nicht. Die Festlegung der Details in den Ausschüssen muss bis zum Herbst warten.

Nun heißt es, Obamas Fehler sei gewesen, den Kongress so stark unter Zeitdruck zu setzen. Doch das ist eine oberflächliche Erklärung. Ohne sein Drängen wäre noch weniger passiert und wäre das Risiko des Scheiterns der Reform durch Verschleppung noch größer.

Bemerkenswert ist etwas anderes. Obama wurde nicht von den Republikanern ausgebremst, sondern von konservativen Demokraten. Theoretisch braucht er keine einzige republikanische Stimme. Dem Papier nach hat er eine überwältigende Parlamentsmehrheit: 256 der 435 Sitze im Abgeordnetenhaus, 60 der 100 Senatoren. Doch die USA kennen keine Fraktionsdisziplin. Die Kongressmitglieder entscheiden nicht nach Parteiinteressen, sondern mit Blick auf ihre Wähler daheim und ihre Wiederwahlchancen im Herbst 2010. Das ist die Kehrseite seines beeindruckenden Wahlsiegs: In der Enttäuschung über Bush haben ungewöhnlich viele parteiunabhängige und wertkonservative Bürger 2008 Demokraten gewählt – und diese Volksvertreter sehen Obamas Ziele zum Teil mit Skepsis.

Bei der Gesundheitsreform geht es längst nicht mehr primär um die 47 Millionen, die keine Krankenversicherung haben, sondern um die Angst der bereits Versicherten vor einer weiteren Kostenexplosion und Steigerung ihrer Beiträge und Steuern. Der Präsident genießt als Person weiter hohe Zustimmungsraten, aber für viele seiner Projekte hat er die Mehrheit verloren. Ob Krankenversicherung für alle, Schließung Guantanamos oder Klimaschutz – das generelle Ziel ist populär, die konkrete Umsetzung und die praktischen Folgen sind es nicht.

Der moderate Flügel der Präsidentenpartei im Kongress stellt Obama vor die Wahl, mit seinen Wahlversprechen zu scheitern oder sie so dramatisch zu reduzieren, dass zwar ein Kompromiss durchkommt, der aber mit dem ursprünglichen Ziel nur noch wenig gemein hat. Obama will nicht prinzipientreu untergehen. Also passt er sich an. Er wäre nicht der erste Präsident, der vom Kongress auf Mitte-Kurs gezwungen wird, aber die Ergebnisse als seinen persönlichen politischen Erfolg verkauft.

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