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Die Atomanlagen von Doel in Belgien liegen nur 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

© JULIEN WARNAND/dpa

Grenznahe Atomkraftwerke: Umstrittene belgische Atomkraftwerke nach Pannen wieder am Netz

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wirft belgischen Behörden "Flickschusterei" vor. Grüne Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl sieht im französischen Meiler Fessenheim ein Sicherheitsrisiko für Deutschland.

Nach einer Panne im umstrittenen belgischen Atomkraftwerk Tihange ist der Reaktor Nummer 1 wieder hochgefahren worden. Er habe wieder seine volle Leistung erreicht, teilte ein Sprecher der Betreiber-Gesellschaft Electrabel am Samstagabend mit. Der nahe der deutschen Grenze gelegene Reaktor war vor einer Woche nach einem Feuer im nicht-nuklearen Bereich automatisch heruntergefahren worden. Der 1975 in Betrieb genommene Tihange 1 ist der älteste der drei Reaktoren des Atomkraftwerks und sollte in diesem Jahr vom Netz gehen. 2012 wurde jedoch entschieden, die Laufzeit bis 2025 zu verlängern. Tihange liegt nur 70 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.
In der Nacht zum Freitag musste überdies ein weiterer Atomreaktor in Belgien wegen einer Panne vom Netz genommen werden. Nach Angaben des Betreibers Electrabel wurde im Reaktor Doel 3 bei Antwerpen ein Leck an einem Generator im nicht-nuklearen Bereich der Anlage entdeckt. Um den Schaden reparieren zu können, sei der Reaktor abgeschaltet worden. Der Reaktorblock 3 war erst am vergangenen Montag trotz Protesten aus Deutschland nach 21 Monaten Pause wieder ans Netz gegangen. Am Donnerstagabend hatte Electrabel den Reaktor Doel 2 wieder hochgefahren, Doel 1 sollte am Sonntagabend folgen. Belgien hat an den Standorten Doel und Tihange insgesamt sieben Atomreaktoren. Doel ist rund 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

Deutsche Kritik an grenznahen Atomkraftwerken

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kritisierte im WDR die belgischen Behörden: "Das ist ja Flickschusterei, was die da betreiben.“ Sie verwies auf eine Vielzahl von Zwischenfällen und sagte weiter: „Na ja, langsam aber sicher sind die Dinger wohl besser außer Betrieb zu nehmen.“
Das fordert die grüne Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl noch für einen weiteren grenznahen Reaktor im französischen Fessenheim. Die Anlage hätte 2016 stillgelegt werden sollen, inzwischen ist die französische Regierung jedoch von dem Vorhaben abgerückt. Die Bundestagsabgeordnete hat bei Professor Manfred Mertins ein Gutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Schluss kommt, dass das Akw Fessenheim noch nicht einmal den französischen Sicherheitsanforderungen genügt. Mertins hatte für das Umweltministerium an den europäischen Sicherheitsanforderungen für Atomkraftwerke mitgewirkt, die inzwischen von allen Staaten akzeptiert worden sind. Kotting-Uhl fordert von Hendricks nun, Druck auf die französische Regierung zu machen, dieses „Sicherheitsrisiko“ wie geplant stillzulegen.

Evakuierungspläne rund um Atomkraftwerke werden überarbeitet

Kotting-Uhl hat sich bei der Regierung zudem erkundigt, wie weit die Umsetzung der neuen Katastrophenschutzpläne rund um Atomkraftwerke, eben auch im Grenzgebiet zu Frankreich, Belgien oder Tschechien gekommen ist. Auf Anregung des Bundesamts für Strahlenschutz hatte die Strahlenschutzkommission, ein Beratungsgremium der Bundesregierung, die Gebiete, die im Katastrophenfall evakuiert werden sollen, neu festzulegen. Im Sommer 2014 haben die Innenminister Empfehlungen übernommen, die Evakuierungspläne zu überarbeiten.

Sylvia Kotting-Uhl sitzt seit 2005 für die Grünen im Bundestag. Die atompolitische Sprecherin fordert seit Jahren die Stilllegung des französischen Atomkraftwerks Fessenheim, das nicht nur eines der ältesten in Europa sondern auch eines der gefährlichsten ist. Seit Jahren sind dort Haarrisse am Reaktorbehälter festgestellt worden.
Sylvia Kotting-Uhl sitzt seit 2005 für die Grünen im Bundestag. Die atompolitische Sprecherin fordert seit Jahren die Stilllegung des französischen Atomkraftwerks Fessenheim, das nicht nur eines der ältesten in Europa sondern auch eines der gefährlichsten ist. Seit Jahren sind dort Haarrisse am Reaktorbehälter festgestellt worden.

© promo

In ihrer Antwort auf Kotting-Uhls Anfrage schreibt Umweltstaatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD), dass die Umsetzung in den Ländern noch nicht abgeschlossen sei. In der Antwort, die dem Tagesspiegel vorliegt, schreibt sie zudem, dass aktuell Jodtabletten für den Katastrophenschutz im Wert von rund sechs Millionen Euro fehlten. Das Umweltministerium will die bisher zentrale Lagerung der Jodtabletten auf die Länder übertragen. mit dpa/AFP

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