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Grenzsuche: EU-Beitritt der Türkei bleibt strittig

Ist die EU ein Zweckverband oder eine Wertegemeinschaft? Steckt hinter den Institutionen in Brüssel und Straßburg ein Ideal oder nur geballte Bürokratie? Die Parteien im deutschen Bundestag sind sich einig: Die EU ist mehr als der wirtschaftliche Nutzen, den der Staatenverbund seinen Mitgliedern bietet.

Sie streiten aber weiterhin darüber, was dieses „Mehr“ sein soll. Die EU-Politik der Parteien unterscheidet sich daher nicht nur in Details: Selbst auf die Grenzen Europas können sie sich nicht einigen.

Für die CDU/CSU steht fest: Die EU ist eine christlich-abendländische Gemeinschaft. Die Parteien wollen daher den Beitritt der Türkei verhindern. Fast 99 Prozent der Türken sind Muslime. „Bei aller Freundschaft, bei aller Bedeutung der Türkei, die volle Mitgliedschaft würde die Chance einer politischen Union dramatisch gefährden, wenn nicht unmöglich machen“, sagte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor der Europawahl. Die Union setzt sich für eine „privilegierte Partnerschaft“ mit der Türkei ein.

Auch die FDP ist skeptisch, sperrt sich aber nicht so vehement gegen eine Vollmitgliedschaft. Alle anderen Parteien stehen einem Beitritt offen gegenüber. „Der Weg der Türkei in die EU ist ein Beitrag zu Stabilität und Frieden in der Region und zur Demokratisierung der Türkei“, heißt es im Wahlprogramm der Grünen. Umstritten ist auch, wie sich die EU wirtschaftlich weiterentwickeln soll. Die SPD will, dass die EU nicht nur eine Wirtschafts- und Währungsunion bleibt. Sie setzt sich für eine europäische Sozialunion mit einem europaweiten Mindestlohn ein. Auch die Grünen und die Linke wollen das. FDP und Union lehnen einen flächendeckenden Mindestlohn ab.

Die Parteien zeigen auch mit Blick auf die militärische Zukunft der EU keine Einigkeit. Im Gegensatz zur Linken fordern FDP und Grüne den Aufbau einer europäischen Armee unter dem Kommando des Europaparlaments. Auch Union und SPD wollen EU-Truppen.

Eine Forderung eint aber alle Parteien: Die Europa-Politik soll transparenter werden. Nach Angaben des Informationsdienstes EurActiv arbeiten in Brüssel derzeit rund 15000 Lobbyisten. „Die Intransparenz der politischen Prozesse begünstigt diese Interessenvertreter“, sagt Rainder Steenblock, europapolitischer Sprecher der Grünen. Seine Partei fordert darum, wie alle anderen Parteien auch, eine größere Beteiligung der Bürger an Entscheidungen in der EU. Trotz großer Differenzen in grundlegenden Fragen: Eine Rückbesinnung auf die Nationalstaatlichkeit kommt für keine Partei infrage. „Die EU ist ein Erfolgsmodell“, sagt Steenblock. Am Ende sollte Europa eine eigene Verfassung bekommen, verlangt er. Eine Forderung, der außer der CSU alle Parteien zustimmen. Issio Ehrich

Drei Themenchecks, Bildung (10.9.), Bundeswehr (8.9.) und Umwelt (6.9.), sind bereits erschienen.

Issio Ehrich

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