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Update

Verhandlungen über EU-Spardiktat: Griechenland: Streiken, verhandeln, warten

Griechenland braucht dringend neue Finanzhilfen, muss aber erneut harte Sparanforderungen akzeptieren. Heute will sich Ministerpräsident Papademos mit seinen Koalitionspartnern einigen.

In Griechenland gehen die Verhandlungen über das neue harte Sparpaket auf die Zielgerade. Ministerpräsident Lucas Papademos will sich am heutigen Mittwoch in Athen mit den Chefs der drei Regierungsparteien treffen, um das Paket zu billigen. Noch am Dienstag war eine Einigung zwischen der sozialistischen Pasok-Partei, der konservativen Nea Dimokratia und der ultrarechten Laos-Partei gescheitert.

Die neuen Sparanstrengungen sollen Forderungen der internationalen Geldgeber erfüllen. Das ist Voraussetzung für das neue 130 Milliarden Euro schwere Hilfspaket zugunsten des pleitebedrohten Landes. Ursprünglich war das Treffen für Dienstagabend geplant. Nach Angaben einer Sprecherin von Papademos' Büro mussten aber noch „Feinheiten“ des Sparprogramms mit den Kontrolleuren der „Troika“ aus EU, EZB und IWF abgestimmt werden. Informationen des staatlichen Rundfunks zufolge soll es etwa 15 Seiten haben. Auf der Streichliste stehen neben Einschnitten im privaten Sektor auch Kürzungen der Ausgaben für Medikamente, für Rüstung sowie Kappung von Zuschüssen für Städte und Gemeinden. Die EU-Troika fordert, dass der Mindestlohn von 751 Euro brutto auf 570 Euro gesenkt wird. Geplant sind darüber hinaus Lohnkürzungen im Privatsektor zwischen 20 bis 30 Prozent. Zudem kündigte Reformminister Dimitris Reppas die Entlassung von 150 000 Staatsbediensteten bis 2015 an. Bereits am Montagabend hatte Reppas erklärt, dass die Regierung noch in diesem Jahr 15 000 Staatsdienern kündigen will. Papademos, ein parteiloser Finanzexperte, ist auf eine breite innenpolitische Unterstützung angewiesen.

In den monatelangen Verhandlungen im griechischen Schuldendrama sind derweil echte Fortschritte erzielt worden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält es für möglich, dass die Verhandlungen über neue Sparanstrengungen Athens bis Donnerstagabend abgeschlossen sind. Es sei denkbar, dass ein Bericht der internationalen Finanzkontrolleure - Voraussetzung für weitere 130 Milliarden Euro - bis dahin fertig sei. Ohne neue Hilfen wäre Griechenland bis Ende März pleite.

Demonstranten marschieren zum Parlament in Athen.
Demonstranten marschieren zum Parlament in Athen.

© reuters

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich am Dienstag zuversichtlich. „Ich glaube, dass wir einer Einigung sehr nahe sind“, sagte er in Brüssel. Am Abend sprach sich Merkel erneut gegen einen Euro-Austritt Griechenlands aus. „Ich will, dass Griechenland den Euro behält. Ich werde mich nicht daran beteiligen, Griechenland aus dem Euro raus zu drängen. Das hätte unabsehbare Folgen“, sagte Merkel vor Studenten bei einer Veranstaltung in Berlin. Griechenland habe wesentlich größere Chancen, als es heute wahrnehme.

In Athen ging der Poker bis zur letzten Minute weiter weiter. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Regierungskreisen erfuhr, ist die Sparliste fertig. Informationen des staatlichen Rundfunks zufolge soll es etwa 15 Seiten haben. Papademos wollte sich noch am Dienstagabend erneut mit der „Troika“ aus EU, IWF und EZB treffen. Dabei sollten die „letzten Pinselstriche“ gesetzt werden, hieß es. Im Programm stehen neben Einschnitten im privaten Sektor auch Kürzungen der Ausgaben für Medikamente, für Rüstung sowie Kappung von Zuschüssen für Städte und Gemeinden. Papademos, ein parteiloser Finanzexperte, ist auf eine breite innenpolitische Unterstützung angewiesen.

Außerdem traf sich Papademos mit dem Geschäftsführer des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, sowie erstmals auch mit dem IIF-Präsidenten, dem Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Beobachter werteten dies als Hinweis, dass die parallel laufenden zähen Verhandlungen über einen Forderungsverzicht der privaten Gläubiger kurz vor dem Abschluss stehen könnten. Der Schuldenschnitt soll Athen den Planungen zufolge um Schulden im Ausmaß von 100 Milliarden Euro entlasten. Er ist ein wichtiger Baustein des neuen zweiten Hilfspaketes.

Insgesamt sollen 2012 weitere 4,4 Milliarden Euro eingespart werden. Geplant sind unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor zwischen 20 bis 30 Prozent. Die Regierung will zudem noch in diesem Jahr 15 000 Staatsbedienstete entlassen, bis 2015 sollen es 150 000 werden. Aus Protest gegen das neue Sparprogramm machten am Dienstag tausende Griechen mit einem 24-Stunden-Streik ihrem Ärger Luft. In Athen demonstrierten nach Schätzungen der Polizei rund 10 000 Menschen bei strömendem Regen gegen die massiven Sparpläne.

Wegen des Generalstreiks liefen am Dienstag aus dem Hafen von Piräus keine Fähren zu den Ägäis-Inseln aus, Bahnen fuhren nicht, und auch die Schulen blieben geschlossen. Unter dem Motto „Es reicht“ hatten die beiden größten Gewerkschaftsverbände in Griechenland, die für den Privatsektor zuständige GSEE und die Beamten-Vertretung ADEDY, am Dienstag zum Generalstreik aufgerufen. In Athen demonstrierten nach Schätzungen der Polizei rund 10 000 Menschen bei strömendem Regen gegen die massiven Sparpläne der Troika aus EU, des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB), die gegenwärtig mit der Regierung über die Bedingungen für ein zweites Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro verhandelt.

Zuletzt hatten die Griechen am 1. Dezember mit einem Generalstreik gegen den Sparkurs demonstriert. In den beiden größten Städten des Landes, Athen und Thessaloniki, wurden diesmal insgesamt 20 000 Demonstranten gezählt – eine eher geringe Beteiligung. Den größten Zulauf verzeichnete in Athen ein Protestzug der kommunistischen Gewerkschaftsbundes „Pame“. Bis zum Nachmittag blieben die Demonstrationen weitgehend friedlich. Vor dem Parlament in Athen verbrannten Demonstranten eine deutsche Flagge – nicht wenige Griechen sehen im Sparkurs vor allem ein Diktat der Bundesregierung.

Unterdessen wächst offenbar auch in Brüssel die Ungeduld mit den Griechen. Zwar plädierte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am Dienstag für einen Verbleib Athens in der Euro-Zone. Zuvor hatte allerdings Kommissions-Vizechefin Neelie Kroes der niederländischen Tageszeitung „Volkskrant“ gesagt, dass die Euro-Zone notfalls auch ohne Griechenland überleben könne. Kroes, die in der Brüsseler Behörde für die Digitalwirtschaft verantwortlich ist, sagte dem Blatt: „Man hat immer gesagt, dass die ganze Struktur zusammenfällt, wenn man ein Land austreten lässt, wenn es austreten will. Aber das ist einfach nicht wahr.“ Mit ihrer Haltung, dass die Reformanstrengungen Griechenlands bislang nicht ausreichen, steht die liberale Niederländerin Kroes in der EU-Kommission nicht allein. Bereits im Januar hatte die griechische Fischereikommissarin Maria Damanaki einem griechischen Radiosender gesagt, man warte in Brüssel jetzt auf „Resultate aus Griechenland“.

Die FDP ist unterdessen bereit, rasch im Bundestag über das zweite Griechenland-Paket abzustimmen. Als Termin für die Befassung des Plenums sind Freitag oder der kommende Mittwoch im Gespräch. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte am Dienstag: „Wir sind immer auch bereit, das Notwendige zu tun, wann immer es gefordert ist.“ (mit dpa)

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