zum Hauptinhalt
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras bei einem Parteitreffen von Syriza

© Reuters/Yiannis Kourtoglou

Griechenland: Alexis Tsipras ist der griechische Gerhard Schröder

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras sucht den Machtkampf mit den Linken seiner Syriza-Partei. Sein Kurs erinnert an den des Bundeskanzlers der Agenda 2010. Wird Tsipras das Schicksal Gerhard Schröders teilen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das ist die interessanteste Entwicklung in Griechenland abseits des Dramas um das große Geld. Man könnte es eine Art Titanenkampf nennen: Alexis Tsipras gegen – die Linken! Jawohl, die Linken in seiner Partei, Syriza.

Und Tsipras treibt es auf die Spitze. Er will klären, ein für alle Mal, wer jetzt die Macht und das Sagen hat. Notfalls wieder in einem Referendum, diesmal aber einem innerparteilichen. Vertrauensfrage, Teil II. Die Antwort entscheidet über sein Schicksal – und, nicht zu vergessen, das des vereinbarten Maßnahmenpakets zur Rettung Griechenlands innerhalb des Euro.

Vergleiche zeichnen sich ja in aller Regel dadurch aus, dass sie hinken. Trotzdem: Wer die Situation vergleicht, der kann sich an einen anderen Politiker erinnert fühlen – an Gerhard Schröder. Jawohl, Schröder.

Erinnern wir uns: An die Macht kam Schröder mit der Linken in der SPD. (Anfangs war er auch einmal der Kandidat der Linken für den Parteivorsitz; es wurde dann Rudolf Scharping.) Zum Kanzler machten ihn die Strategie von Oskar Lafontaine und ein Programm, das im Wesentlichen deutlich links der Mitte verortet war.

Wie Schröder kam Alexis Tsipras mit den Linken an die Macht - wie Schröder rückt er in die Mitte

So kam Schröder ins Amt. Aber so blieb er nicht. Er löste sich, nein, er rasierte die Linke, angefangen bei Lafontaine, der zu jener Zeit, ja was war? Finanzminister! Nun, und was dem einen sein Lafontaine war, ist dem anderen sein Yanis Varoufakis.

Hinzu kommt noch, dass offenkundig auch Varoufakis glaubt, seine Finanzpolitik – seine Vorstellungen von einem „Grexit“ mit Rückkehr zur Drachme – sei die für Griechenland alleinig richtige; richtiger als die von Tsipras. Lafontaine lässt grüßen. Manche unterstellten Varoufakis schon, er greife nach der Macht, um sich durchzusetzen. Ob er wegen seiner, sagen wir, Aktivitäten sogar noch vor Gericht gestellt wird, muss sich noch erweisen.

Sei es, wie es sei – Tsipras sucht die Entscheidung. Syriza hat die Wahl: Entweder folgt sie dem Quasi-Ausgleich mit den Institutionen Europas – oder nicht. Wie Schröder die SPD will Tsipras Syriza bezwingen. Obwohl das Herz links schlägt; so hieß es bei den Sozialdemokraten, und bei Syriza schlägt das Herz dort noch stärker.

Sollte Tsipras, der Charisma hat, dem die Griechen vertrauen, der heute bei Wahlen mit großem Abstand siegen würde, in der Partei gewinnen, hätte er freie Hand. Einmal könnte er dann die Reformen durchsetzen, die Voraussetzung sind, um das nötige Geld der EU zu erhalten; übrigens nicht zuletzt für von ihm immer wieder geforderten Investitionen.

Am Ende droht Alexis Tsipras die Abwahl - wie Gerhard Schröder

Darüber hinaus könnte Tsipras Syriza – deren Linke sich dann wohl abspalten wird – in ihrem gemäßigten Teil zur Erbin der Pasok machen, der sozialdemokratischen Variante in Griechenland. Der sind die Wähler weggelaufen. Zurückkommen werden sie nicht mehr; nur schon der Name Papandreou hat mangels Glaubwürdigkeit die Zugkraft verloren.

Und am Ende ereilte Alexis Tsipras dann womöglich ein Schicksal wie Gerhard Schröder: im Volk geschätzt, aber dann, nach Reformen und ersten gelungenen Veränderungen, abgewählt. Was bleibt? Der Eintrag ins Geschichtsbuch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false