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Unter Beobachtung. Griechenlands Premierminister George Papandreou sucht einen Ausweg aus der Schuldenkrise. Foto: Aris Messinis/AFP

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Griechenland: Buchprüfung in Athen

Die EU schaut Griechenland bei den Sparbemühungen auf die Finger – und erwägt weitere Milliardenhilfen. Spätestens 2012 könnte Griechenland in akute Liquiditätsschwierigkeiten kommen.

Seit gestern prüfen sie in Athen wieder einmal die Bücher: die Inspekteure der „Troika“, wie man in Griechenland die Vertreter der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) nennt. Alle drei Monate untersuchen sie in der griechischen Hauptstadt den Zustand der Staatsfinanzen sowie die Umsetzung des Spar- und Reformprogramms, zu dem sich die Griechen im Gegenzug für die Gewährung des Rettungspakets in Höhe von 110 Milliarden Euro verpflichten mussten. Vom Urteil der Prüfer hängt diesmal besonders viel ab – nicht nur die Freigabe der nächsten Kredittranche von zwölf Milliarden Euro im Juni. Die Troika soll auch die „Schuldentragfähigkeit“ Griechenlands analysieren. Auf der Grundlage ihres Berichts könnte dann der Europäische Rat Ende Juni über mögliche neue Finanzhilfen für Griechenland entscheiden. Das deutete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestern in Berlin an.

Weitere Rettungskredite könnten nötig werden, weil sich der Zustand der griechischen Staatsfinanzen zusehends verschlechtert. Nachdem das Land erst kürzlich das Haushaltsdefizit des Jahres 2010 von 9,6 auf 10,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) korrigieren musste, klafft nun im ersten Quartal 2011 im Haushalt schon wieder eine Lücke von 1,4 Milliarden Euro. Das liegt nicht an den mangelnden Sparanstrengungen Griechenlands; im Gegenteil: Man könnte sogar sagen, das Land spart zu viel. Denn der Sparkurs der Regierung treibt die Wirtschaft immer tiefer in die Rezession, wodurch die Steuereinnahmen wegbrechen und der Fehlbetrag im Haushalt steigt, was wiederum weitere Einsparungen erfordert – ein Teufelskreis. In Athener Finanzkreisen befürchtet man, dass die Neuverschuldung 2011 rund fünf bis sieben Milliarden Euro höher ausfallen könnte, als im Budget angesetzt. Mit weiteren Einsparungen und Steuererhöhungen wäre das kaum auszugleichen. Daher rührt die Debatte über weitere Hilfsgelder, die bereits in diesem Jahr nötig werden könnten. In Brüssel zirkulierten am Dienstag offiziell nicht bestätigte Informationen, wonach die Eurozone den Griechen mit weiteren 60 Milliarden Euro beistehen könnte. Die griechische Zeitung „Kathimerini“ berichtete, der IWF arbeite an einem Hilfspaket von 80 bis 100 Milliarden Euro für die Jahre 2011 bis 2013. Bisher sträubte sich vor allem Kanzlerin Merkel vehement gegen weitere Griechenlandhilfen. Ihre Ankündigung, über Griechenland werde „erst nach Vorlage der aktuellen Bewertung des Sparprogramms entschieden“, könnte Kompromissbereitschaft erkennen lassen.

Spätestens 2012 könnte Griechenland in akute Liquiditätsschwierigkeiten kommen. Denn die ursprüngliche Hoffnung, dass sich das Land dann wieder in größerem Umfang am Kapitalmarkt mit Geld versorgen kann, beginnt sich angesichts der miserablen Kreditwürdigkeit zu zerschlagen. Erst am Montag stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s Griechenlands Bonität erneut herab. Unklar ist, an welche neuen Bedingungen weitere Hilfen geknüpft würden. Weitere Sparauflagen wären wohl wenig realistisch, denn die Athener Regierung ist mit ihrem drakonischen Sparkurs bereits an die Grenze dessen gegangen, was sie den Menschen und der Wirtschaft zumuten kann. Für den heutigen Mittwoch haben die Gewerkschaften zu einem Generalstreik gegen die Sparpolitik aufgerufen, bereits dem zehnten seit Beginn der Krise.

Die prekäre Finanzlage gibt aber auch Spekulationen über eine mögliche Umschuldung neue Nahrung: viele Experten meinen, die Schuldenlast – rund 150 Prozent vom BIP – sei inzwischen so erdrückend, dass sich das Land nur mit einer Umschuldung aus dem Schuldensumpf befreien könne. Die Athener Regierung, die EU und die EZB lehnen einen solchen Schritt bisher aber kategorisch ab.

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