zum Hauptinhalt
Ein schöner Plan, wenn er funktioniert: Bei positivem Wachstum will Griechenland sein Staatsdefizit zurückführen.

© dpa

Griechenland: "Eine Frage der Vernunft"

Nach der Einigung über ein hartes Sparpaket kann Athen mit Milliardenhilfen rechnen. Ist die Debatte um den Ausschluss aus der Eurozone beendet?

Die EU-Kommission hat am Sonntag die Auszahlung der Notkredite für das überschuldete Griechenland empfohlen. Athen verpflichtet sich im Gegenzug für das geplante Hilfspaket der Euroländer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einer weiteren Verschärfung des Sparkurses. Premierminister Giorgos Papandreou erklärte, dass in dem Sparpaket „große Opfer“ von der Bevölkerung verlangt würden. Zusätzlich zu den bereits im März beschlossenen Milliardenkürzungen sollen im griechischen Etat 30 Milliarden Euro eingespart werden.

Reichen die Sparmaßnahmen aus?

Der angekündigte Sparkurs der Athener Regierung findet ein unterschiedliches Echo. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte, die Sparmaßnahmen seien „solide und glaubwürdig“. Ganz anders lautet die Einschätzung des FDP-Politikers Wolf Klinz, der im Europaparlament den Sonderausschuss zur Wirtschafts- und Finanzkrise leitet. „Ich bin nicht überzeugt, dass diese Maßnahmen ausreichen werden“, sagt er. Nach seiner Einschätzung leidet der öffentliche Dienst in Griechenland an einer „Überbesetzung“. Deshalb müssten nicht nur die Bezüge der Beamten gekürzt werden, sondern auch ein Personalabbau im öffentlichen Sektor sei „unvermeidlich“. Unklar bleibe auch, wie Griechenland das Problem der „massiven Steuerhinterziehung“ in den Griff bekommen, die Schattenwirtschaft eindämmen und die Korruption bekämpfen wolle.

Führende Ökonomen äußerten sich ebenfalls skeptisch zu den Erfolgsaussichten der Griechenland-Sanierung. Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, bezeichnete Griechenland als bankrott. Das hohe Leistungsbilanzdefizit sei nicht durch eine Sanierung der Staatsfinanzen zu beheben. Es gebe drei Möglichkeiten, das Land zu retten, und jede sei schrecklich: kontinuierliche Transfers, eine interne Abwertung durch scharfe Preis- und Lohnsenkungen oder ein Austritt aus der Währungsunion. Auch der Bonner Wirtschaftsprofessor Manfred Neumann bezweifelte, dass es innerhalb der Währungsunion gelingen könne, das Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit von 60 Milliarden Euro abzubauen.

Ist eine Umschuldung langfristig immer noch möglich?

Der am Sonntag vorgestellte Rettungsplan sieht eine Umschuldung – also eine Beteiligung der privaten Gläubiger an den Nothilfen – nicht vor. Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, glaubt aber dennoch, dass die Möglichkeit einer Umschuldung auf der Tagesordnung bleibt. „Angesichts der Wettbewerbs- und Haushaltsschwierigkeiten Griechenlands wird es sich in den nächsten Jahren zeigen, ob es in der Zukunft zu einer Umschuldung kommen muss“, meint Schick. Wenn sich beispielsweise Banken an der Rettung Griechenlands beteiligten, sei dies nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, „sondern auch eine Frage der wirtschaftspolitischen Vernunft“. Dass unter Umständen private Gläubiger auf Forderungen verzichten müssten, sei auch eine Lehre aus der lateinamerikanischen Schuldenkrise in den 80er Jahren und den derzeitigen Finanzproblemen im Emirat Dubai.

Welche langfristigen Lehren ergeben sich aus der griechischen Schuldenkrise?

Schon jetzt wird darüber nachgedacht, wie sich ein ähnliches Debakel innerhalb der Eurozone künftig verhindern lässt. Die meisten Reformvorschläge richten sich dabei auf den Euro-Stabilitätspakt, mit dem die Haushaltsdisziplin in den Mitgliedsländern der Gemeinschaftswährung überwacht wird.

In mehreren Punkten müsse der Stabilitätspakt überarbeitet werden, verlangt Gunther Krichbaum, der Vorsitzende des EU-Ausschusses des Bundestages. Wie Außenminister Guido Westerwelle (FDP) fordert der CDU-Politiker eine Schuldenbremse für die Eurozone nach deutschem Vorbild. Diskutiert wird auch über einen Entzug des Stimmrechts auf europäischer Ebene für Schuldensünder – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich dafür am vergangenen Wochenende erneut starkgemacht. Nach den Worten Krichbaums können Euroländer, die nicht solide wirtschaften, auch mit einem vorübergehenden Entzug von EU-Mitteln aus dem Kohäsionsfonds wieder auf den Pfad der Haushaltsdisziplin gezwungen werden. Kontraproduktiv seien hingegen Strafzahlungen für Schuldensünder, wie sie der Stabilitätspakt vorsieht. Derartige Sanktionen würden den ohnehin klammen Staaten die Luft ganz abschnüren, argumentiert er.

Ist die Diskussion um einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone beendet?

„Das ist eine Debatte, die sich gar nicht stellt“, sagt Krichbaum. Wer einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone fordert, müsse wissen, dass dies ohne eine Änderung der europäischen Verträge gar nicht gehe. Die letzte Vertragsänderung, die in den EU-Reformvertrag von Lissabon mündete, nahm ein ganzes Jahrzehnt in Anspruch. Nach diesem gewaltigen Zeit- und Energieaufwand dürfte das Spitzenpersonal in der EU kaum eine Änderung der Verträge in Angriff nehmen, die einen Ausschluss eines Defizitsünders aus der Eurozone ermöglichen würde. Ein Ausschluss Griechenlands würde laut Krichbaum nicht nur dem „europäischen Geist“ zuwiderlaufen. Eine solche Option würde sich auch aus Sicht der deutschen Banken kaum rechnen, die mit rund 45 Milliarden Dollar in Griechenland engagiert sind. Denn für den Fall, dass in Griechenland die Drachme wieder eingeführt und gegen andere Währung abgewertet würde, würden auch deutschen Geldinstituten Abschreibungen drohen. mit HB

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false