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Der Parthenon-Tempel auf der Athener Akropolis ist eingerüstet.

© Reuters

Griechenland-Krise: Auf der Haushaltsbaustelle

In Brüssel verhandelt Athen wieder mit der Troika – auch wenn die nicht mehr so heißt. Regierungschef Tsipras will 30 Prozent der von den Gläubigern verlangten Sparmaßnahmen aufkündigen. Dafür verlangt EU-Kommissionschef Juncker eine Gegenfinanzierung.

Nach dem Debakel beim Treffen der Eurogruppe, das in der Nacht zum Donnerstag ohne eine gemeinsame Erklärung endete, kommt nun wenigstens ein Dialog in Gang. Der Gesprächsfaden verläuft übrigens auch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras, der zuvor noch seinen Finanzminister Yanis Varoufakis beim Treffen mit dessen Ressortkollegen in Brüssel in letzter Minute telefonisch zurückgepfiffen hatte. Merkel begrüßte den neuen griechischen Kollegen beim EU-Gipfel freundlich, obwohl der Chef des Linksbündnisses Syriza sie noch im Wahlkampf als „gefährlichste Politikerin Europas“, die Griechenland zu einer deutschen „Schuldenkolonie“ machen wolle, gegeißelt hatte.

Seit Freitag verhandelt die griechische Regierung nun wieder mit den Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) – es ist die altbekannte Troika, von der Tsipras noch in dieser Woche sagte, es gebe sie nicht mehr. Einziger Unterschied zu früher: Man verhandelt nicht in Athen, sondern in Brüssel. Und keiner nimmt das Unwort „Troika“ in den Mund. So sagte der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Martin Jäger, am Freitag in Berlin: „Wir nennen die ’Troika’ aus Rücksicht auf unsere griechischen Freunde neuerdings nicht mehr ’Troika’, sondern: ’Die Institutionen’“.

Sprachliche Feinheiten gilt es auch beim Gegenstand der Verhandlungen zu beachten: Während die Gläubiger von einer Verlängerung des bisherigen Anpassungsprogramms reden, spricht Athen von einer „Brückenvereinbarung“. In beiden Varianten geht es um dasselbe: eine Übereinkunft, die sicherstellen soll, dass Griechenland über den Sommer zahlungsfähig bleibt. Bis dahin will man einen neuen Vertrag aushandeln, der auch Schuldenerleichterungen vorsieht. Er könnte am 1. September in Kraft treten.

Noch steht die Finanz-Brücke für Griechenland nicht

Aber noch steht die Brücke nicht, über die sich die Griechen in den Herbst retten wollen. Zunächst muss vereinbart werden, welche Spar- und Reformauflagen Athen noch umzusetzen hat. Für Tsipras ist das ein heikles Thema, versichert er doch seinen Anhängern, mit seinem Wahlsieg sei das bisherige Programm abgeschafft und der Sparkurs beendet.

Erschwert werden die Verhandlungen auch, weil die neue Regierung bereits einen ganzen Katalog von Maßnahmen angekündigt hat: höhere Mindestlöhne und Renten, Wiedereinstellungen im Staatsdienst, Rückbau der Arbeitsmarktreformen, Privatisierungsstopp. Das alles sind einseitige Schritte, die gegen die bisherigen Vereinbarungen mit der Troika verstoßen.

Seit dem EU-Gipfel zeichnet sich zwar die Möglichkeit eines Kompromisses ab. Aber man ist noch nicht am Ziel. Die Verhandlungen stehen unter einem extremen Zeitdruck. Bis zum Treffen der Eurogruppe am kommenden Montag muss eine Einigung erzielt werden. Sonst kann die Verlängerung des Programms, die in einigen Euro-Staaten von den Parlamenten gebilligt werden muss, nicht rechtzeitig erfolgen. Griechenland hinge dann am 1. März in der Luft – ohne Hilfskredite, ohne Sicherheitsnetz. Wenn dann auch noch die EZB, womit zu rechnen ist, den griechischen Banken den Geldhahn zudreht, dürfte die Staatspleite eine Frage von Wochen, allenfalls Monaten sein. Welche Folgen das für die anderen Problemländer und die Währungsunion insgesamt hätte, vermag niemand mit Gewissheit abzuschätzen.

Juncker bleibt "beunruhigt"

Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker machte am Ende des Gipfels deutlich, dass vor einer Lösung des Griechenland-Problems noch viel Arbeit bevorsteht. „Ich bleibe beunruhigt“, sagte der Luxemburger. Bei der Vorbereitung der Euro-Gruppensitzung am Montag sei noch viel zu tun, erklärte er weiter. Im Detail dürfte es in den Gesprächen zwischen der Troika und den griechischen Regierungsvertretern um jene 30 Prozent der von den internationalen Geldgebern verlangten Reformvorgaben gehen, welche Tsipras streichen will. Insbesondere pocht Athen auf die Rücknahme der Arbeitsmarktreform und ein geringeres Tempo bei den Privatisierungen. In erster Linie möchte Tsipras aber eine Lockerung beim Primärüberschuss, also dem mit den Gläubigern vereinbarten Haushalts-Plus vor Abzug des Schuldendienstes. Tsipras strebt an, dass der zu erwirtschaftende Primärüberschuss von 4,5 auf maximal 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesenkt wird. Juncker verlangte indes, dass einzelne Reformmaßnahmen, auf die gegebenenfalls künftig verzichtet werden soll, durch andere Schritte mit einem gleichwertigen Haushaltseffekt ersetzt werden müssten.

Ob das bevorstehende Treffen des griechischen Finanzministers Varoufakis mit seinen Amtskollegen in Brüssel tatsächlich den Durchbruch bringt, blieb zunächst ungewiss. Der griechische Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis sagte, man wolle vor dem Treffen nicht allzu viel Hoffnung schüren. Euro-Gruppenchef Jereon Dijsselbloem zeigte sich eher pessimistisch. Zwar sei eine Einigung auf Expertenebene möglich, eine politische Übereinkunft aber sehr viel schwieriger zu erreichen, erklärte der niederländische Finanzminister. Eines steht jedenfalls schon fest: Das neuerliche Treffen von Varoufakis mit seinen EU-Kollegen, das am Montagnachmittag beginnen soll, dürfte kaum binnen weniger Stunden über die Bühne gehen.

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