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Griechenland-Krise: Euro in Gefahr

Der Euro steht vor einer Bewährungsprobe. Italien, Irland, Portugal und Spanien sind Wackelkandidaten. Ob das Hilfspaket für Griechenland wirkt, ist ungewiss. Was passiert, falls...?

Das Tempo sei jetzt „essenziell“, warnt Dominique Strauss-Kahn, Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), „jeden Tag wird es schlimmer“. Griechenland müsse nun „schnell die nötigen Mittel“ erhalten, fordert Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank. Nun gehe es „um die Stabilität des Euro als Ganzes“, mahnt Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Wann immer die Verantwortlichen dieser Tage das geplante Rettungspaket zugunsten Griechenlands erklären müssen, ist ein Hauch von Panik nicht mehr zu überhören. Eine mögliche Staatspleite am Südostrand der EU, so jedenfalls soll es das Publikum verstehen, würde das ganze Euro-System bedrohen. Nach Monaten des Taktierens sollen Bundestag und Bundesrat nun binnen einer Woche grünes Licht für voraussichtlich mindestens 25 Milliarden Euro Kredite der deutschen Staatsbank KfW an Griechenland geben. Gemeinsam mit den anderen Euro-Staaten und dem IWF soll auf diesem Weg ein 120 Milliarden Euro schweres Rettungspaket geschnürt werden, mit dem der griechische Fiskus alle fälligen Rückzahlungen und Zinsen bis 2013 leisten kann, ohne bei privaten Investoren neues Geld zu leihen. Das Verfahren erinnert an die Bankenrettung im Herbst 2008, als einige überschuldete Geldhäuser fast über Nacht mit Milliardenzahlungen gestützt wurden, weil es hieß, andernfalls breche das Finanzsystem zusammen. Glaubt man den Warnern, dann droht nun wieder eine ähnliche Gefahr.

Aber ist das geplante Rettungsprogramm wirklich die beste Lösung?

Das Kernproblem ist, dass die Euro-Staaten die Entscheidung so lange verzögert haben, dass sie sich nun der Mechanik des Kapitalmarkts unterwerfen müssen. Dieser wird regiert von Gier und Angst. Während lange Zeit die hohen „Risikoprämien“ auf Griechenanleihen immer noch neue Anleger dazu verleiteten, den Athener Schuldenverwaltern frisches Geld zu leihen, überwiegt seit dieser Woche die Angst vor Verlusten. Schuld daran war das von Bankanalysten gestreute Gerücht, der von den Euro-Staaten als Verhandlungsagent engagierte IWF werde auch einen Beitrag der Gläubiger fordern, also einen Zahlungsaufschub oder einen Teilerlass der Schulden. Und wie immer bei Krisen heizte eine Ratingagentur, in diesem Fall Standard & Poor’s, die Angst noch richtig an. Weil Ausfälle von bis zu 70 Prozent drohen würden, stufte sie Griechenlandanleihen auf Ramschniveau ab. Dabei hatte die gleiche Agentur die Aussichten für Griechenland vor kurzem noch als stabil bezeichnet. Sofort fielen die Kurse für Griechenlandanleihen und stiegen die damit verbundenen Zinsprozente auf zweistellige Raten – ein Zustand, bei dem für Griechenland eine Neuaufnahme von Krediten zur Bedienung der Altschulden keinen Sinn mehr ergibt.

Hat Europa zu spät reagiert?

Noch im März, so meint Ansgar Belke, Finanzmarktexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hätte man sehr wohl mit den Gläubigern noch in Ruhe über einen Zahlungsaufschub und eine Umschuldung verhandeln und auf diesem Weg Griechenland wirklich entlasten können. Das ursprünglich auch von Schäuble favorisierte Konzept eines Europäischen Währungsfonds habe ja auch die Möglichkeit einer geordneten Staateninsolvenz für den Teil der Schulden vorgesehen, die über die erlaubten 60 Prozent Anteil der jährlichen Wirtschaftsleistung hinausgehen. Nun aber, da Griechenland auf dem Markt kein Geld mehr leihen kann und der nächste Zahlungstermin für fällige Anleihen ansteht, ist die Angst der Anleger auch die Angst der politischen Entscheider.

Welche Wahl hat die Politik noch?

Die zwischen zwei Übeln: Entweder sie fordert doch ganz schnell noch eine Schuldenstreckung oder einen Teilerlass und riskieren damit, dass insbesondere die Banken in Griechenland, die ein Viertel der Staatsschuld halten, zu viel Eigenkapital für Abschreibungen verlieren und in Schieflage geraten. Weil der Staat keine Sicherheit mehr bieten kann, könnte bei griechischen Bürgern die große Angst um ihre Ersparnisse ausbrechen. Würden sie aber massenhaft ihr Geld abheben, würde Griechenlands Zahlungssystem zusammenbrechen. Eine solche Bankenpanik mit Schlangen von verzweifelten Sparern würde europaweit Unruhe verbreiten, und vermutlich ist die Furcht bei den Regierenden groß, sie könnten dann auch in ihren eigenen Ländern die Kontrolle verlieren. Darum bleibt nun nur noch die zweite schlechte Lösung: Die Euro-Staaten übertragen große Teile der griechischen Schulden von privaten auf staatliche Kreditgeber und kaufen so die Gläubiger frei, die zuvor gute Zinsen kassiert haben.

Welche Tücken hat diese Strategie?

Dieses „Gläubigerschutzprogramm“ könne die Euro-Staaten noch teuer zu stehen kommen, warnt Heribert Dieter, Kapitalmarktexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Nicht nur könne niemand beurteilen, ob Griechenland nach den drei Jahren wirklich über den Berg sei. Wenn das Sparprogramm hauptsächlich die Kaufkraft der einfachen Leute abschöpft, dann könnte die dadurch verursachte Rezession ein noch größeres Loch in die Staatsfinanzen reißen. Möglicherweise werde dann doch ein Schuldenerlass fällig, aber dann auf Kosten der Steuerzahler der Eurozone, meint Dieter. Und was noch schwerer wiegt: Mit den Notkrediten für Griechenland signalisieren die Euro-Länder, dass sie für jedes überschuldete Mitgliedsland einstehen werden, koste es, was es wolle. Das aber werde eine Einladung an Spekulanten, im nächstschwächeren Staat auch wieder die Zinsen hochzutreiben, bis sie den dortigen Fiskus überfordern und die Euro-Gemeinschaft eintreten muss. Insofern sei das nun geplante Rettungsprogramm „eine Rutschbahn, von der niemand weiß, wo sie endet“, meint Dieter.

Besteht die Gefahr eines Dominoeffekts?

Die Gefahr sei im Fall Portugal ausgesprochen hoch, meint DIW-Fachmann Belke. Zwar ist Portugals Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr um ein Drittel geringer ausgefallen als das in Griechenland, aber es lag mit 9,4 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gleichwohl beängstigend hoch. Und anders als in anderen gefährdeten Länder wie Spanien oder Italien ist die interne Sparquote gering. Während Spanien sein ebenfalls auf über elf Prozent vom BIP angeschwollenes Staatsdefizit vollständig aus internen Ersparnissen finanzieren könne, sei Portugal zum größten Teil auf ausländische Kreditgeber angewiesen. „Das macht das Land leicht angreifbar“, warnt Belke. Zwar ist in Portugal, anders als in Griechenland, der staatliche Sektor klein. Dafür aber sind die privaten Haushalte und Unternehmen stark bei ausländischen Kreditgebern verschuldet. Wenn diese private Finanzierung ins Stocken gerät, könnte die folgende Pleitewelle auch den Staatshaushalt in den Abgrund ziehen. Darum müssten die Euro-Staaten auch nach der Freigabe der Notkredite für Griechenland nach anderen Lösungen für mögliche weitere Krisen in anderen Mitgliedsländern suchen, fordert Belke. Insofern bleibe der Plan für einen Europäischen Währungsfonds aktuell.

Was machen die Banker?

Die Investmentbanken bereiten die nächste Angstwelle vor, aus der sich mit dem Verkauf von Kreditausfallversicherungen an Anleihebesitzer ein gutes Geschäft machen lässt. So streute David Macki, Chef-Ökonom für Europa der USGroßbank JP Morgan, ein „worst-case scenario“. Wenn die „Ansteckung“ auch auf Spanien, Portugal und Irland übergreife, dann seien Zahlungen von 600 Milliarden Euro nötig. Darum sei es Zeit für die Eurozone, „etwas wirklich Dramatisches zu unternehmen, damit sie nicht eine weitere Finanzkrise zurück in die Rezession“ treibe. Das Kesseltreiben gegen den Euro wird weitergehen.

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