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Die Athener Regierung führt bis Juni die EU-Ratsgeschäfte.

© AFP

Griechenland: Mit Europa punkten

Die Regierung in Athen setzt große Hoffnungen in ihre EU-Ratspräsidentschaft – doch sie steht vorerst unter keinem guten Stern.

Viel Brüsseler Prominenz gab sich am Mittwoch ein Stelldichein in Athen, um den Auftakt der griechischen Ratspräsidentschaft zu feiern. EU-Ratschef Herman Van Rompuy war ebenso gekommen wie Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit seinem gesamten Kollegium. Dass der griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras nicht an dem Festakt in der Athener Konzerthalle teilnahm, aus Protest gegen soziale Härten der EU-Krisenpolitik, wie es hieß, konnte Ministerpräsident Antonis Samaras verschmerzen. Tatsächlich war das Fernbleiben von Tsipras, der sich als Kandidat der europäischen Linksparteien um das Amt des EU-Kommissionschefs bewerben will, wohl eher ein politisches Eigentor.

Wachstum, Beschäftigung, Migration: Das werden Schwerpunkte der griechischen Präsidentschaft sein. Es sind Themen, die den Griechen auf den Nägeln brennen, aber nicht nur ihnen. „Wir werden keine griechische, sondern eine europäische Ratspräsidentschaft machen“, versichert Vize-Außenminister Dimitris Kourkoulas. Aber die Regierung hofft, von den kommenden sechs Monaten zu profitieren. Man will sich als verlässlicher Partner darstellen und das düstere Image des Krisenlandes etwas aufhellen.

Gelingt das, könnte Griechenland auch bei den Investoren Punkte machen und den Weg zu einer Rückkehr an die Finanzmärkte in der zweiten Jahreshälfte ebnen. Dann brauche Griechenland kein drittes Hilfspaket, sagte Finanzminister Giannis Stournaras. Voraussetzung für eine Rückkehr an die Märkte wäre aber wohl eine Zusage der EU-Finanzminister über weitere Schuldenerleichterungen. Stournaras hofft, noch während der griechischen Präsidentschaft dazu ein klares Signal seiner Euro-Kollegen zu bekommen.

Aber es fallen dunkle Schatten auf die griechische Ratspräsidentschaft. Jenes Land, in dem 2009 die Euro-Schuldenkrise begann, steckt immer noch tiefer als alle anderen Krisenstaaten im Schlamassel. Bei der Haushaltskonsolidierung kann Athen zwar beeindruckende Erfolge vorweisen. Aber der Sparkurs hat das Land in die tiefste und längste Rezession geführt, die je ein westeuropäisches Land in der Nachkriegszeit durchmachen musste. Mit wichtigen Strukturreformen ist Griechenland im Rückstand, die Privatisierungen stocken. Die Prüfung durch die EU, die Europäische Zentralbank und den Internationalen Währungsfonds, die schon im September hätte abgeschlossen werden sollen, ist weiter in der Schwebe, weil man sich über Fragen wie die Entlassungen im Staatsdienst und die Deckung der Finanzlücke 2014 bisher nicht einigen konnte. Am Montag werden die Delegationschefs dieser Troika in Athen erwartet. Stournaras will die Gespräche bis zur Sitzung der Euro-Gruppe am 27. Januar erfolgreich abschließen – „sonst können wir unsere EU-Präsidentschaft nicht vernünftig wahrnehmen“.

Die scheint aber ohnehin unter keinem guten Stern zu stehen. Seit Anfang dieser Woche ist ein griechischer Top-Terrorist untergetaucht. Dass der sechsmal zu lebenslanger Haft verurteilte Killer Christodoulos Xiros überhaupt Hafturlaub bekam, den er zur Flucht nutzte, wirft die Frage auf, wie Justiz und Strafvollzug in Griechenland funktionieren. Nachdem bereits in der Vorwoche unbekannte Täter die Residenz des deutschen Botschafters im Athener Norden mit Schnellfeuergewehren beschossen hatten, verdichten sich die Anzeichen, dass sich in Griechenland eine neue Terrororganisation formiert. Für die Ratspräsidentschaft ist das kein guter Auftakt. Entsprechend drakonisch waren die Sicherheitsvorkehrungen für die aus Brüssel angereisten Gäste.

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