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Nach dem Nein ist die Zukunfts Griechenlands ungewiss.

© AFP

Griechenland nach dem Nein: Jetzt müssen Vorurteile abgebaut werden

Nach dem Nein aus Griechenland muss vor neuen Verhandlungen ein Schutthaufen von Vorurteilen und Beschimpfungen abgebaut werden. Der Rücktritt von Yanis Varoufakis ist ein erster Schritt dazu. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Dieses Abstimmungsergebnis ist ein großes Problem für Europa und das weiß man nicht nur in Brüssel, sondern in den Hauptstädten der EU, allen voran in Berlin. Ein Problem besonders für Angela Merkel, die nichts so verabscheut wie Prozesse, deren Verlauf sie nicht beeinflussen kann. Und wie es mit Europa und Griechenland weiter geht, ist eben seit Sonntag, 18 Uhr, nicht mehr berechenbar.

Dieses Abstimmungsergebnis ist aber ein noch größeres Problem für Griechenland. Das jedoch hat die griechische Regierung nicht nur für sich selbst, sondern auch für die eigenen Wähler hinter einer Nebelwand von Versprechungen verschwinden lassen.

Aber diese Nebel haben sich schnell gelichtet und es zeigte sich, dass es in der zur Hassfigur erklärten Troika aus EZB, IWF und Europäischer Kommission niemand gab, der mit Yanis Varoufakis in neue Verhandlungen über was immer eintreten wollte. Wie denn auch, nachdem der griechische Finanzminister das Handeln der Geldgeber als "Terrorismus" bezeichnet hatte? Sein Rücktritt macht den Weg zu neuen Gesprächen frei.

Das griechische Verhalten ähnelt der Chaostheorie

Frank-Walter Steinmeier hat gerade im Interview mit dieser Zeitung bezweifelt, dass hinter dem Verhalten der Regierung Tsipras ein Masterplan stecke. In dieser Einschätzung ist er sich einig mit hohen Beamten seines Hauses, die eher von der Chaostheorie ausgehen, nach der man nicht abschätzen kann, wie eine Entwicklung endet, obwohl man deren Beginn kennt. Angesichts der potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten wirkt das geradezu prognostisch. Fest steht, dass der Glaube eine Illusion war, Druck aus Brüssel könne Einfluss auf ein Abstimmungsergebnis in Griechenland haben – ein Land, in dem die Stimmung im höchsten Maß gereizt ist und sich viele Menschen als Opfer eines vor allem deutschen Spardiktats sehen. Dieses Abstimmungsergebnis ist glasklar. Es muss auch Anlass sein, über die Qualität der bisherigen Krisenpolitik der EU nachzudenken.

Dennoch: Dass der Ursprung der griechischen Probleme hausgemacht ist, will keiner in Athen hören. Hemmungslose Staatsverschuldung seit der Euro-Einführung, weil sich von diesem Moment an alle griechischen Regierungen zu günstigen Konditionen im Ausland verschulden konnten. Das Ergebnis war nicht etwa die überfällige Modernisierung des Landes, sondern eine schamlose Aufblähung der öffentlichen Dienstes und eine gigantische Klientelpolitik. Beim Bürger hängen geblieben ist von dieser Wahrheit nur die Hälfte: dass Griechenland immer neue Kredite aus dem Ausland aufnehmen muss, um alte Fälligkeiten abzulösen, dass also nichts von diesem Geld bei den Menschen ankommt. Die müssen sparen und leiden oft große Not. Die eigene Regierung hat nie versucht, sie von der Notwendigkeit von Reformen zu überzeugen. Die tut so, als zwinge „das Ausland“, Deutschland, Griechenland unter die Knute einer brutalen Austeritätspolitik.

Zunächst muss ein Schutthaufen von Vorurteilen abgebaut werden

Wenn es also in den nächsten Tagen in Brüssel Gespräche über die Zukunft Griechenlands geben wird (und es wird sie geben), muss erst einmal ein Schutthaufen von Vorurteilen und Beschimpfungen abgebaut werden. Rechtlich kann das Land nicht zum Verzicht auf den Euro gezwungen werden. Allenfalls über einen juristischen Trick könnte es sich aus dem Währungsverbund lösen. Die Griechen aber haben gestern gegen Reformen und nicht gegen den Euro gestimmt – den wollen sie in ihrer ganz großen Mehrheit behalten. Sie wollen zu Europa gehören.

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